Ex-KGB-Agent will "Independent" kaufen: Der Spion, der Zeitungen liebt
Der ehemalige KGB-Agent Alexander Lebedew will die britische Zeitung "Independent" kaufen. Ihm gehört in London schon der "Evening Standard".
Dass in der Londoner Derry Street, nur einen kurzen Spaziergang von Kensington Palace und Royal Garden entfernt, die so konservative wie monarchentreue Daily Mail ihren Sitz hat, verwundert kaum. Seit ein paar Monaten sitzt nun aber auch der republikanische Independent und sein Sonntagsableger Independent on Sunday (IoS) mit im Pressehaus im noblen Stadtteil Kensington. Und noch ein Untermieter aus der Derry Street macht dieser Tage im britischen Zeitungsmarkt von sich reden: Alexander Lebedew. Der von KGB-Agent auf Oligarch umgeschulte Milliardär hatte Anfang 2009 das Londoner Lokalblatt Evening Standard von der Daily-Mail-Gruppe übernommen.
Nun will Lebedew auch die Independent-Titel: Bis zum 15. Februar werde exklusiv mit dem Russen, der gemeinsam mit Expräsident Michael Gorbatschow auch 49 Prozent an der Moskauer Nowaja Gazeta hält, verhandelt, bestätigte der irisch-amerikanische Independent-News-&-Media-Konzern. Denn das Unternehmen, dem Zeitungen von Irland bis Südafrika gehören, hat Schulden, und die Londoner Titel laufen schlecht: Der Independent verkaufte im November gerade noch 186.557 Exemplare. Der IoS ist mit rund 156.500 Exemplaren die mit Abstand kleinste nationale Sonntagszeitung auf der Insel. Impulse gingen vom 1986 als jüngste britische überregionale Zeitung von ehemaligen Times-Journalisten gegründeten Independent jede Menge aus: Er setzt auf Haltung, Chefredakteur Simon Kelner gab selbstbewusst die Parole aus, althergebrachte Zeitungen, "Newspapers" brauche heute niemand mehr - sehr wohl aber "Viewspapers". Unter Kelner, der heute Geschäftsführer bei Independet News & Media ist, vollzog das Blatt 2003 auch den bislang radikalsten Schritt vom klassischen Großformat zum handlichen Tabloid. Damit setzte der Independent einen Trend, dem mit Ausnahme des Daily Telegraph alle nationalen Qualitätsblätter in Großbritannien gefolgt sind.
Nun dürfte Kelner eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen mit Lebedew spielen. Dass dieser wieder so billig davonkommt wie beim Kauf des Evening Standard, ist allerdings ausgeschlossen: Lebedew, von dem der Guardian unter Berufung auf ehemalige KGB-Kreise schreibt, er sei ein "eher mittelmäßiger Spion" gewesen, hatte das hoch defizitäre Blatt für ein symbolisches Pfund Sterling übernommen.
Dafür blühen Spekulationen, ob er mit den Independent-Titeln einen genauso kühnen Schritt plant wie mit dem Evening Standard. Denn die Abendzeitung gibt es seit Mitte Oktober 2009 umsonst. Zuletzt kostete das Blatt 50 Pence und verkaufte sich rund 200.000-mal. Als Gratisblatt hat es seine Auflage auf über 600.000 Exemplare erhöht, angeblich sein Anzeigenvolumen deutlich gesteigert und Vertriebskosten abgebaut.
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