Ex-Ermittler arbeitet für Warner: Pirate-Bay-Prozess vor dem Aus
Der Chefermittler gegen Pirate Bay bekam nach der Anklage einen Job bei Warner Brothers - und die Musikindustrie machte gegen die Filesharing Site Rechte geltend, die sie gar nicht hatte.
STOCKHOLM taz Pirate Bays Rechtsanwälte können sich die Hände reiben. Die Kläger lieferten ihnen zuletzt eine Steilvorlage nach der anderen. Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass der Leiter der polizeilichen Ermittlungen gegen Pirate Bay einen Job bei Warner Brothers erhielt eine der Firmen, in deren Namen die Organisation der Plattenbranche, IFPI gegen Pirate Bay klagt. Und dies nur wenige Wochen nach Anklageerhebung. "Wohl als Dank für die gute Arbeit", spottet Pirate Bay-Sprecher Peter Sunde, der das einen "Justizskandal" nennt.
"Verdammt ernst" beurteilt diesen Vorgang auch der Rechtsprofessor Dennis Töllberg: "Womöglich muss nun das ganze Ermittlungsverfahren nochmal ganz von vorne aufgerollt werden." Für den Fall, dass die ersten Kontakte zwischen beiden, die dann zu dieser Anstellung geführt haben, zu einem Zeitpunkt vor Erhebung der Anklage stattgefunden hätten, könnten sich, urteilt Töllberg, "der Polizeibeamte wie Warner Brothers der Bestechung schuldig gemacht" haben. Wofür einiges sprechen dürfte: Gut vier Wochen nach Anklageerhebung war die vorläufige Beurlaubung des Beamten aus dem Polizeidienst bereits wirksam.
Wenig klug ist das Verhalten von Warner Brothers allemal. Die Verteidigung werde sich freuen, sagt Töllberg, denn der fragliche Polizeibeamte sei nun als Zeuge vermutlich "verbrannt". Zumal es sich nicht um irgendeinen Zeugen handelte: Der Polizist war bei der Razzia gegen Pirate Bay 2006 persönlich beteiligt gewesen und deshalb einer der Hauptzeugen im Prozess.
Pirate Bay-Verteidiger Peter Althin erwägt, die gesamte Anklage in Frage zu stellen: Es dürfe gerade bei einem Musterverfahren nicht den geringsten Zweifel an der Unparteilichkeit der Ermittlungen geben.
Wenige Tage vor Bekanntwerden dieses zweifelhaften Jobbwechsels war bereits die IFPI selbst in die Kritik geraten. Gegenüber der schwedischen Staatsanwaltschaft hatte der Plattenindustrieverband angegeben, die Rechte des Hiphop-Künstlers Tom Piha, Künstlername Max Peezay, zu vertreten. Und machte für diesen Schadensersatzansprüche für dessen angebliche Einnahmeausfälle wegen Downloads seiner Platten über die Links bei Pirate Bay geltend.
Das Problem: IFPI hatte sich dieses Recht vorher weder bei Piha, noch bei seiner Plattenfirma geholt. Weshalb dieser auch aus allen Wolken fiel, als er vor einigen Wochen in der Zeitung lesen konnte, er sei einer der 25 Künstler und Bands, die stellvertretend für alle anderen die Pirate Bay-Macher für zwei Jahre hinter Gitter bringen und einen Schadensersatz von umgerechnet 1,5 Millionen Euro erstreiten wollten.
Das ist mehr als eine kleine Verwechslung. Denn Piha hat bereits vor vier Jahren mit seiner Gruppe "Fjärde världen" einen Song veröffentlicht, in dem es sinngemäss heisst "hast du keine Kohle, dann lade dir den Song eben einfach herunter". Piha macht das auch in Interviews ganz klar: "Filesharing für private Zwecke und ohne Gewinninteressen ist in meinen Augen völlig okay - das ist doch kein Diebstahl." Für ihn sei das nicht anders, als CDs zu brennen oder Kassetten zu bespielen und weiterzugeben.
Piha stellt sich bewusst gegen die Methoden der IFPI: "Eine harte Linie mit Gefängnis und hohen Geldstrafen führt zu keiner langfristigen Lösung. Ich jedenfalls will nichts damit zu tun haben, jemand in den Knast zu bringen."
Man hätte wohl "genauer hinschauen" müssen, meint Lars Gustafsson, Chef von IFPI-Schweden. Der hat sich mittlerweile bei Tom Piha entschuldigt. Man werde seine CD auch aus den Schadensersatzansprüchen streichen.
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