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Evangelische Kirche bietet Honecker Asyl

■ Bischof Forck hält Unterbringung in einer Einrichtung der inneren Mission für möglich / Die Sicherheitsfrage ist noch ungeklärt / Die Familie des Ex-SED-Chefs muß Wandlitz bis Mitte Februar verlassen haben, das jetzt zum Rehabilitationssanatorium umgebaut wird

Ost-Berlin (dpa/epd) - Eine Rehabilitationstherapie wird Erich Honecker nicht angeboten, wenn die bisherige Prominentensiedlung zum Reha-Zentrum umgebaut wird. Dafür aber kann er auf die Barmherzigkeit der evangelischen Kirche in der DDR zählen. Der Ostberliner Bischof Gottfried Forck hat gestern mitgeteilt, die Kirche sei bereit, unter bestimmten Bedingungen für eine Unterbringung des 77jährigen ehemaligen Staats- und Parteichefs zu sorgen, nachdem staatiche Stellen darum gebeten hätten. Möglich sei eine Unterbringung „in einer Einrichtung der inneren Mission“.

Eine Zuständigkeit der Kirche bestehe zwar nicht. Die Kirche könne aber „auf dem Wege der Freundlichkeit oder der uns gewiesenen Barmherzigkeit“ sagen, sie sei „auch für solche Menschen offen und wisse, daß die Vergebung der Sünden auch Funktionären gilt“. Zunächst müsse jedoch der Staat in seinem Bereich nach einer Wohnung suchen, was offenbar kompliziert sei. Die Kirche stelle die Bedingung, daß vor allem die Frage der Sicherheit geklärt werde und entsprechende Voraussetzungen geschaffen würden. Forck: „Wir können in einer offenen Einrichtung der inneren Mission gar nicht garantieren, daß nicht vielleicht dieser oder jener der erzürnten Bürger sich dann an ihn heranmachen würde.“ Außerdem müßte noch die Haftfähigkeit Honeckers geklärt werden.

Zum Sanatorium umgebaut

Das Ehepaar Honecker und andere Mitglieder des früheren SED -Führungszirkels, die noch in der Prominentensiedlung Wandlitz im Norden Berlins wohnen, müssen bis Februar ihre Koffer gepackt haben. Die Waldsiedlung untersteht seit Jahresbeginn dem DDR-Gesundheitsministerium und wird derzeit als Reha-Sanatorium umgebaut. Wann ziehen die Honeckers und die anderen aus? „Ich hoffe recht bald“, sagte der Leiter des neuen Sanatoriums, Dieter Costrau, dem ARD -Fernsehmagazin Kontraste. Denn Mitte Februar soll der Betrieb aufgenommen werden und dann müssen alle alten SED -Gäste draußen sein. Der „überwiegende Teil der Häuser ist noch bewohnt“, erläutert Costrau.

Die Honeckers wohnen weiterhin im Haus Nummer 17. SED -Funktionäre ließen in der Vergangenheit durchblicken, daß es gar nicht einfach sei, für den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden und die ehemalige Volksbildungsministerin eine neue geeignete Bleibe zu finden. Weil Honecker geschwächt und krank ist, muß er auch nicht wegen der ihm zur Last gelegten Vorwürfe in Haft wie einige andere seiner Mitgenossen.

Margot Honecker: „Nur einen Wartburg“

Frau Honecker hatte vor einem Untersuchungsausschuß Mitverantwortung für die negativen Folgen der Arbeit ihres Ministerressorts übernommen. Daß die Familie eine Flotte von zwölf privaten Fahrzeugen gehabt habe, bestritt sie. Privat habe ihr Mann nur einen Wartburg, hatte sie erklärt.

Von den 23 Mitgliedern des alten Politbüros, die im sogenannten inneren Ring in Wandlitz wohnen, sind bisher nur Egon Krenz und Günter Schabowski sowie drei andere Genossen ausgezogen, heißt es in dem Fernsehbericht. Ob dann Honecker, da er ja krank sei, nicht als Patient im neuen Sanatorium übernommen werden kann, wird Hans-Günther Awege, Abteilungsleiter beim Gesundheitsministerium, gefragt. Seine lakonische Antwort: „Ich glaube nicht, daß seine Krankheit für einen Aufenthalt hier die richtige ist.“

In das bisherige Shopping-Center, das erlesene Waren aus dem Westen feilbot, soll eine Gaststätte für die neuen Gäste eingerichtet werden.

Die Arbeiten haben bereits begonnen. Der Edel-Laden und die anderen Bewohner von Wandlitz wurden früher über ein Unternehmen der Abteilung „Kommerzielle Koordinierung“ des Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski, der in West-Berlin in Untersuchungshaft sitzt, versorgt.

Die neue Klinik heißt „Rehabilitations-Sanatorium Bernau -Waldfrieden“. Sie soll 400 Patienten Platz bieten, die sich hier drei bis fünf Wochen aufhalten können. Das beheizte Schwimmbad wird schon seit einigen Tagen von Wandlitzer Schulkindern genutzt. Am Eingangstor geht es auch lockerer zu. Der Wachhabende trägt Zivil.

Wie die Ostberliner Zeitungen berichten, soll Wandlitz künftig für die Behandlung von multipler Sklerose, nach Schlaganfällen oder Herzinfarkt sowie für Querschnittsgelähmte oder ähnlich behinderte Menschen zur Verfügung stehen. Schwergeschädigte Kinder könnten dort gemeinsam mit einem Elternteil Erholungsaufenthalte verbringen. Die ersten Patienten sollen im Februar aufgenommen werden.

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