Eva Herman und Kerner revisited: Was war denn da los?
Was ist eigentlich eine Talkshow? Und muss ich Eva Herman als guter Katholik unterstützen? Fragen zu Eva, Antisemitismus und Autobahnen.
Was ist das eigentlich, so eine "Talkshow"?
Eine Fernsehsendung, in der ein im Idealfall am Thema der Sendung interessierter und darauf vorbereiteter Talkmaster und zumeist mehrere Gäste grundsätzlich mehr durcheinander und aneinander vorbeireden als miteinander: Hauptsache, man wird sein Statement (oder wenigstens die Werbung für das neue Buch) los! Auch der Zuschauer ist in der Regel an einem guten Gespräch nicht interessiert. Er will kurzweilige Unterhaltung, gerne auch Klamauk und/oder Krawall bzw. ein sauberes TV-Tribunal. Und er will mindestens einen "Experten", der Seriosität suggeriert - zur Not tuts auch der Spaßmacher Mario Barth, angeblich "Deutschlands Frauenversteher Nummer eins".
Was habe ich verpasst?
Sätze wie "Aber es sind auch Autobahnen damals gebaut worden. Und wir fahren heute darauf" (Herman) und "Ich entscheide mich für die anderen drei Gäste und verabschiede mich von Eva Herman" (Kerner).
War das gute Unterhaltung?
Die Gelehrten beraten noch. Jedenfalls hatte die Sendung die höchste Kerner-Einschaltquote des laufenden Jahres (18,1 Prozent, macht 2,65 Millionen Zuschauer).
Aha. Und warum stand das am Dienstag schon vor der Sendung auf Spiegel-Online?
Wegen der Quote. Und weil "Johannes B. Kerner" am Nachmittag aufgezeichnet wird. Harald Schmidt macht das so, um abends früher zu Hause zu sein - und Johannes B. Kerner und Konsorten, weil sie Streber sind und gerne schon vorab mit den "Sensationen" prahlen, die sie am Abend versenden. Auch in Bild stand übrigens, dass Eva Herman das Studio verlassen musste - und zwar bevor sie es im ZDF betreten hatte. Der Draht zwischen "Johannes B. Kerner" und Bild ist besonders kurz: Redaktionsleiter Markus Heidemanns ist der Bruder von Martin Heidemanns, Mitglied der Bild-Chefredaktion.
Wer ist Eva Herman?
Unsere Antwort auf Britney Spears bzw. die in Deutschland zurzeit gefragteste Selbstpromoterin. Erst als "Tagesschau"-Sprecherin, dann als Talkshow-Moderatorin, nun als Agentin einer katholisch fundamentalistischen Minderheit, die mit Publikationsunterstützung des Pendo-Verlags auf ihre Existenz aufmerksam macht. Sogenannte "Versprecher" und "Missverständnisse" sind neben der Blondie-Optik Teil ihrer Verkaufsstrategie: Als Märtyrerin kämpft sie gegen den Rest, der immer gegen sie sein muss. Bei Verwendung von Nazi-Begriffen ist das garantiert der Fall.
Als gute/r Katholik/in darf ich sie aber immer noch gut finden, oder?
Sie müssen. Sonst, Sie wissen ja: Fegefeuer mit Johannes B. Kerner, Margarethe Schreinemakers und Mario Barth.
Warum passiert das ausgerechnet jetzt?
Its the economy, stupid. Wie jedes Jahr, in dem Eva Hermans Name auf einem neu erscheinenden Buch steht, findet zufällig einen Monat später die Frankfurter Buchmesse statt. Ohne Skandal bliebe der Stand des Pendo-Verlags nur einer von vielen. Denn Aufmerksamkeit ist Geld. Das Prinzip klappt sicher auch mit der Verkaufe von: Waschmittel, Staubsauger oder Babywindeln.
Kann die sich nicht einfach entschuldigen und gut is?
Entscheiden Sie selbst. Welche Schlagzeile klingt denn besser: "Kerner wirft Eva Herman aus Fernseh-Studio". Oder: "Eva Herman entschuldigt sich für Hitlers Familienpolitik". Hm, gar nicht so einfach.
Wo lag denn dieses Dritte Reich überhaupt?
Im Auge des Betrachters. Nein, im Ernst: Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung reichte es vom Nordkap bis zur Sahara, vom Atlantik bis zur Wolga. Da steckten also damals irgendwie alle mit drin.
Sind Autobahnen gebauter Antisemitismus?
Pfui!
Wer war denn der blonde Streber links neben Eva Herman? Beckmann, stimmts?
Nein. Das war Beckmanns Bruder im Geiste, Johannes Baptist Kerner. Wir könnten jetzt ausfallend werden, denn "persönliche Kritik geht mir am Arsch vorbei", sagte Kerner der TV-Beilage des Stern im vergangenen Jahr - aber: Nein, das wäre zu einfach. Johannes B. Kerner, Jahrgang 1964, ist ein deutscher Fernsehmoderator mit eigener Talkshow im ZDF und Arroganzproblem. Deswegen mag ihn keiner - dafür mag er Wasser mit Geschmack, Air-Berlin-Aktien und Geflügelwurst. Diese Leidenschaft teilt er übrigens mit seiner Frau Britta.
Bekommt Beckmann dafür den Grimme-Preis?
Nein, den bekommt nun der Johannes B. Kerner.
Wie funktioniert eigentlich dieser Henryk M. Broder?
Gut.
Arno Frank, David Denk, Susanne Lang
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku