■ Europa verdrängt die ehemaligen Kolonien: Feigenblatt Bosnier?
Geht es nach den Vorstellungen vor allem sozialdemokratisch orientierter Flüchtlingspolitiker, soll nun das, was „Festung Europa“ heißt, auf ganz Europa, und nicht mehr nur EG-Europa (mit den Mini-Einschlüssen Österreich und Schweiz) ausgedehnt werden. Für Opfer der Bürgerkriege und „ethnischer Säuberungen“ soll nun ein besseres Zufluchtsrecht gelten: Wer aus Kriegsgebieten zwischen Ural, Mittelmeer, Atlantik und dem Nordpol ausbüchst, darf sich Hoffnung auf großzügigeres Bleiberecht machen, als dies weniger glückliche Zeitgenossen ein paar Kilometer weiter östlich oder südlich haben.
Was an derlei Vorschlägen vor allem verwundert, ist die Begründung: Europa habe schließlich für seine Bürger, gleich welchem Regime sie bisher unterworfen waren und welche Wechselfälle das Schicksal für sie bereithält, eine „besondere Verantwortung“. „Europa verantwortet Europa“, so der Slogan.
Soll wohl heißen, daß Europa gerade dort keine „besondere“ Verantwortung spürt, wo es die allerschlimmsten Zustände hinterlassen hat – in den Kolonialgebieten Afrikas und Asiens, die sich bis heute nicht von der Aufpfropfung westlicher Standards und vor allem Erwartungen erholt haben, die sich mit einer politischen Elite herumschlagen müssen, die völlig bastardisiert ist zwischen den Erwartungen des Westens und den Bedürfnissen ihrer Völker. Zudem wehren sich viele von uns, daß die Not, die zu unseren Bürgerkriegen führt, gleichgesetzt wird mit jenen, die im ehemaligen Jugoslawien die Kämpfe diktieren: während die Bürgerkriege in Europa in einer Situation noch relativen Wohlstandes, jedenfalls jenseits von wirklichem Hunger ausgebrochen sind, stehen unsere Völker in der Regel bereits am Absturz aus der Existenz.
Natürlich würde das vielen so passen: nachdem sie die Weltunordnung erst einmal angerichtet haben, wird nun der Schlußstrich gezogen, die Hungersnöte in Afrika und Asien sind Sache der Drittweltländer, sollen die sich darum kümmern und mit ein paar Brotkrumen als caritativem Abfall oder einigen Blauhelmeinsätzen haushalten: nur wenn es in Europa selbst brennt, rückt die Feuerwehr aus.
Doch so einfach werden sich die Probleme nicht lösen lassen. Weder werden die Flüchtlinge in Europa selbst Ruhe geben, solange sie nur als solche behandelt werden, noch können sich die Menschen aus anderen Ländern damit zufriedengeben, daß sich die „Festung Europa“ zwar mit dem Feigenblatt der Flüchtlingsaufnahme schmückt, doch dies nur als weitere Abschottung gegenüber allen verwendet, die Hilfe und Aufnahme mindestens ebenso nötig, wenn nicht noch notwendiger haben. Ahmed al Arim
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen