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Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Dichter der Beat Generation, also Jack Kerouac, William S. Burroughs und Allen Ginsberg, stürzten die amerikanische Dichtung Ende der 1940er Jahre vom Thron des Erhabenen und machten sie zum Gegenstand des Pop, der damals noch Beat genannt wurde, wegen der Drumbeats, die seine Musik prägten. Vor allem Jack Kerouac befand, auch Dichtung müsste „on the beat“ sein. Zu den berühmtesten Werken dieser Street- und Beat-Poeten gehört das Langgedicht „Howl“ („Geheul“) von Allen Ginsberg aus dem Jahr 1955 – ein Gedicht wie ein Drogentrip über Jazzmusik, Drogen, Sex und Wahnsinn, die Verheerungen des Kapitalismus und des Krieges, aus dem Ginsbergs Generation entwurzelt und traumatisiert ins prüde ­McCarthy-America heimgekehrt war. Eine Feier des Außenseitertums und ein Plädoyer für das Anderssein. Das Buch verstörte das Establishment. Ginsbergs Verleger Lawrence Ferlinghetti wurde wegen „Obszönität“ angeklagt, das Buch „Howl and Other ­Poems“ vielerorts beschlagnahmt. In der Volksbühne nimmt sich jetzt der eigenwillige Musiktheaterregisseur David Marton des Themas an, der das Werk mit Fotografen der Beat-Generation und vor allem der Musik kurzschließen wird, die dieses Zeitalter prägte. (Volksbühne: „Howl“, Premiere 21. 11., 19.30 Uhr).

So wie einst die Beat-Generation den Begriff von Dichtung erweiterte, erweiterte die Erfindung des Postdramatischen Theaters den Theaterbegriff. Postdramatisch, also Theater NACH dem Drama, bezieht sich auf ein Theater, dem kein dramatischer Text mehr zu Grunde liegt, eine nichthie­rarchische Theaterpraxis mit kollektiver Autor*innenschaft und einen Materialbegriff, der eine Gleichwertigkeit der ästhetischen Mittel voraussetzt. Erfunden wurde der Begriff am Institut für angewandte Theaterwissenschaft der Uni Gießen von seinem Gründungsdirektor Andrzej Wirth. Berühmt gemacht hat ihn der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann, der vor 20 Jahre ein epochemachendes wie systematisierendes Buch darüber schrieb. Zum Jubiläum veranstaltet die Akademie der Künste nun ein internationales Symposium, das eine Bestandsaufnahme nach 20 Jahren vornimmt. (Akademie der Künste: „Postdramatisches Theater weltweit“, 22.+23. 11. Alle Infos: www.adk.de).

Auch das HAU widmet dem Jubiläum ein Festival „Alles ist Material“, wo neue und alte postdramatische Werke u. a. von Gob Squad und Forced Entertainment zu sehen sein werden. Im Rahmen des Festivals kommt am 22. 1 1. auch das neue Stück von She She Pop „Kanon“ heraus (HAU: „Alles ist Material“, 19.–29. 11. Alle Infos: www.hebbel-am-ufer.de).

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