Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen:
Sie gehören zu den berühmtesten Liebespaaren der Theatergeschichte: „Tristan und Isolde“. Denn das Schicksal hat für ihre Liebe von Anfang an keine Perspektive vorgesehen. Tristan soll Isolde für seinen König werben, darf sie also gar nicht selber lieben. Und wie könnte Isolde Tristan lieben, der ihren Verlobten erschlug? Trotzdem verlieben sie sich und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Der Komponist Richard Wagner hat aus dem mittelalterlichen Stoff eine seiner berühmtesten Opern geschaffen. Seine Wirkung bezieht das Werk aus dem Clash von emotionalem Überdruck und politischer Ohnmacht, aus dem Abgrund, der sich mit so existenzieller Wucht zwischen Staatsraison und Individuum auftut. In den Sophiensælen kommt nun eine Version des Werks zur Aufführung, die das inklusiv arbeitende Zürcher Theater Hora mit dem Berliner Musiktheaterkollektiv Hauen + Stechen um die Regisseurinnen Franziska Kronfoth und Julia Lwowski erarbeitet hat. Erklärtes Ziel: den Überdruck abzulassen und den berühmten Liebestrank gemeinsam mit dem Publikum zu trinken. Und in einer riesigen Walinstallation durch einen Ozean von Euphorie, Depression, Lust, Hass und Scham zu navigieren! (26. & 28.–30. 4., jeweils 19.30 Uhr)
Der Dichter Hans-Christian Andersen bezog viel dichterische Energie aus seiner unerfüllten Liebe zu der Opernsängerin Jenny Lind. Seine Märchen handeln oft davon, dass jemand etwas anderes sein möchte, als sie*er ist. Oder, weil anders, nicht vom Mainstream akzeptiert wird. Das hässliche Entlein zum Beispiel, das eigentlich sogar ein Schwan ist. Der Regisseur Bastian Kraft hat auf Andersen-Geschichten wie dieser nun eine sehr eigene Lesart angewandt: dass es sich nämlich bei diesen Verwandlungen auch um ein maskiertes Spiel mit Geschlechtlichkeit und Sexualität handelt. Dies war der Ausgangspunkt für sein Projekt, Andersens Märchen den Biografien von Berliner Dragqueens gegenüberzustellen. „Ugly Duckling“ ist es überschrieben und kommt am 25. 4. in den Kammerspielen des Deutschen Theaters heraus (Deutsches Theater, Premiere 25. 4., 20 Uhr).
Vom Mainstream nicht akzeptiert ist auch Amir, das Kind arabischer Einwanderer in Deutschland und Protagonist des neuen Stücks von Mario Salazar. Mit der Uraufführung des Dramas „Amir“ über eine Migrationsjugend in Deutschland, gefangen zwischen totaler Verweigerung und verzweifeltem Anpassungswunsch, gibt die Regisseurin Nicole Oder (die sonst zur künstlerischen Leitung des Heimathafens Neukölln gehört) ihr Regiedebüt im BE (Berliner Ensemble, Premiere 28. 4., 20 Uhr).
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