Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen:
Gerade wird Heinar Kipphardt wiederentdeckt, früher Grenzgänger zwischen Literatur- und Dokumentartheater, Ost und West und auch: Wirklichkeit und Wahn. Kipphardt, der 1922 geboren wurde und 1982 viel zu früh starb, war ausgebildeter Psychiater. 1949 kam er an die Berliner Charité, von wo er im Jahr darauf als Dramaturg ein paar Häuser weiter ans Deutsche Theater zog, wo er auch zu schreiben begann. Der Intendant war damals Wolfgang Langhoff, zu dessen engstem Mitarbeiter Kipphardt bald wurde – ab 1952 als Chefdramaturg. Kipphardt schrieb Stücke, von denen einige im Deutschen Theater uraufgeführt wurden, entdeckte Autoren wie Heiner Müller, Peter Hacks oder Alfred Matusche. Denn in den 1950er Jahren war Kipphardt als DT-Chefdramaturg eine Art Königsmacher der DDR-Gegenwartsdramatik. 1959 überwarf er sich mit der SED und verließ die DDR Richtung Düsseldorf. In der BRD entstanden Stücke wie der Welterfolg „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ über den amerikanischen Physiker und „Vater der Atombombe“, in dem Kipphardt eine Art Galileo Galilei des 20. Jahrhunderts entdeckte. Aktuell steht eine Inszenierung des Stücks von Christopher Rüping auf dem Spielplan des Deutschen Theaters, die im Januar Premiere hatte (Nächste Vorstellung 16. 2.). In der Schaubühne hat am 13. Februar nun das Stück „März“ von Heinar Kipphardt Premiere, in dem es um den an Schizophrenie erkrankten Dichter Alexander März und seinen Psychiater geht – ein Werk, das aus einem Roman, einem Fernsehfilm und einem Drama besteht und das die Vorstellung von Normalität radikal relativiert. „März“ hat noch den Debütroman „Irre“ von Rainald Goetz beeinflusst, der 1983, im Jahr nach Kipphardts Tod, erschien. In der Schaubühne inszeniert der 1987 geborene David Stöhr den Kipphardt-Stoff. (Schaubühne: „März“, Premiere 13. 2., 19.30 Uhr).
Eine Figur, die alle Grenzen überschritt, war auch die antike Königin Phädra, zweite Frau des Königs Theseus von Athen. Sie verliebte sich rasend in den eigenen Stiefsohn, und natürlich kann eine Liebe, die derart alle Ordnung infrage stellt, nur in der absoluten Katastrophe enden. Größen wie Euripides und Racine verarbeiteten den Stoff. In den Sophiensælen macht sich nun die inklusiv arbeitende Gruppe Monster Truck an eine Tiefenbohrung an Stoff und verbotenen Formen der Liebe. Monster Truck interessiert sich seit seiner Gründung 2003 für unbewusst wirksame Normen der Gesellschaft. Erklärtes Ziel ist ihre Dekonstruktion auf dem Theater. (Sophiensæle: „Phädra“, 7., 8., & 9. 2., jeweils 20 Uhr).
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