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Essen gegen die Kälte Von innen einheizen

Bei eisigen Temperaturen helfen uns bestimmte Lebensmittel und Gewürze gegen das Frieren. Die vegane Küche hat dabei einiges zu bieten.

Zentralheizung schön und gut. Aber wenn einem so richtig kalt ist, hilft auch Essen gegen das Frieren. Vor allem Wintergemüse hat's in sich – und damit ist nicht (nur) die Marzipankartoffel gemeint.

taz Thema 🐾 14.01.2021

Text von Kristina Simons

Rote Bete, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Möhren, Knollensellerie, Chicorée, Radicchio und die diversen Kohlsorten kurbeln die Wärmebildung im Körper an. Passenderweise haben sie in unseren Breitengraden genau im Winter Saison. Sie werden in der kalten Jahreszeit geerntet und können dann über eine längere Zeit gelagert werden, ohne Geschmack einzubüßen. Viele Kohlsorten, Grünkohl zum Beispiel, schmecken sogar erst nach dem Frost so richtig gut. Denn durch die Kälte reichert sich in den Blättern Zucker an. Zugleich sind Wintergemüsesorten wahre Kraftpakete voller Vitamine und Mineralstoffe, Ballast- und sekundären Pflanzenstoffen.

Wärme durch Stoffwechselaktivität

Beim Essen nehmen wir nicht nur Kalorien auf. Wir verbrennen in unseren Zellen auch welche. Bei Stoffwechselprozessen wie der Verdauung wird ein Teil dieser Energie als Wärme freigesetzt. Die höheren Temperaturen beschleunigen wiederum unseren Stoffwechsel und helfen so bei der Fettverbrennung.

Thermogenese nennt sich dieser Vorgang – der zum Beispiel auch durch sportliche Aktivitäten oder eine kalte Dusche unterstützt wird. Denn bei der Thermogenese geht es darum, den menschlichen Körper auf einer möglichst konstanten Temperatur zu halten. Bei sommerlichen Temperaturen kühlt der Körper sich durch Schwitzen ab, bei kalten Außentemperaturen produziert er mehr Wärme.

Eine Frage der Energie

Doch zurück zum Essen: Je höher der Energiegehalt von Lebensmitteln, desto mehr Wärme entsteht im Körper. Kürbis- und Kohlgerichte, Eintöpfe und Aufläufe mit Wurzel- und Knollengemüse unterstützen die Thermogenese. Dagegen gehören Beeren, Südfrüchte wie Ananas oder Kiwi und Gemüse wie rohe Tomaten, Gurken oder auch Blattsalate zum Sommer und wirken kühlend. Proteine fördern die Thermogenese ebenfalls. Besonders viele stecken zum Beispiel in Tofu und Hülsenfrüchten.

Auch Chili, bestimmte Paprikasorten und Cayenne-Pfeffer kurbeln die Wärmeproduktion und damit auch die Fettverbrennung des Körpers an. Das darin enthaltene Capsaicin, das für die Schärfe verantwortlich ist, regt die Durchblutung an. Ingwer, Knoblauch und Kurkuma weiten die Blutgefäße und fördern dadurch ebenfalls die Durchblutung. Auch die Art der Zubereitung ist entscheidend. Um rohe Zutaten zu verdauen, braucht der Körper viel Energie, die ihm dann für die Wärmeproduktion fehlt. Deshalb wirft man in der kalten Jahreszeit also lieber den Herd an.

Auch mal über den (westlichen) Tellerrand hinaus schauen

Dass Lebensmittel kühlend oder wärmend wirken, ist in Heillehren wie der Traditionellen Chinesischer Medizin (TCM) und dem indischen Ayurveda schon seit Jahrtausenden bekannt. Laut der chinesischen Lehre verspüren Menschen Harmonie und Wohlbefinden vor allem dann, wenn die entgegengesetzten Kräfte Yin und Yang im Körper in einem ausgewogenen, harmonischen Verhältnis vorhanden sind. Yin steht dabei für die kalten, passiven, Yang für die warmen, aktiven Anteile. Übermäßiges Frieren kann demnach auf zu viel Yin und zu wenig Yang hindeuten.

Um dieses Ungleichgewicht wieder in Balance zu bringen, helfen unter anderem warme Getreidebreie aus Hafer, Dinkel und Hirse, Zwiebeln, Knoblauch und Lauch, Fenchel, Kürbis, Pflaumen, Aprikosen Ingwer, Pfeffer, Chili, Zimt, Kardamom, Rosmarin und Thymian. Rohe Tomaten und Gurken, Blattsalate, Milch und Joghurt sowie Zitrusfrüchte und Bananen werden hingegen dem Yin zugerechnet und wirken laut TCM kühlend. Genauso wie heißer Pfefferminztee – die Temperatur der Lebensmittel ist also nicht unbedingt ausschlaggebend.

Unterschiedliche Wirkung auf den Körper

Auch in der indischen Lehre des Ayurveda bezieht sich warm nicht auf den Zustand von Speisen, sondern auf ihre Wirkung auf den Körper. Entscheidend ist die individuelle thermische Potenz der Nahrungsmittel (Virya). Mit ihren beiden Qualitäten kühlend (shita) und erhitzend (ushna) bestimmen sie, ob Substanzen Energie speichern oder freisetzen.

Typische erhitzende und damit Energie freisetzende Nahrungsmittel und Gewürze sind im Ayurveda Aubergine, Karotten, Meerrettich, Rettich und Rote Bete, Chili, Ingwer, Muskat, Pfeffer, Senf, Zimt sowie Joghurt, Sesam und Cashewnüsse. Dagegen gelten Gerste, Reis, Weizen, Gurke, Kokos, Milch, Spinat, Trauben, Feigen, Apfel, Fenchel, Nelke, Kardamom und Koriander als kühlend.

Eine entscheidende Rolle spielen hier außerdem verschiedene Energien im Menschen, die in Balance stehen sollten: Vata, Pitta und Kapha. Die richtige Ernährung hilft dabei, die jeweils typbezogene Balance herzustellen. Menschen mit einer Vata-Konstitution sollten zum Beispiel eher wärmende, saure, scharfe, feuchte und nahrhafte Speisen zu sich nehmen, Pitta-Menschen eher kühlende, süße, bittere, herbe Lebensmittel und Kapha-Typen eher wärmende, bittere, herbe, scharfe und anregende Nahrungsmittel.

Doch egal ob Schulmedizin, TCM oder Ayurveda: Am besten probiert man selbst aus, was einen am besten von innen einheizt. Das darf dann auch mal eine Marzipankartoffel sein.

• Dieser Text erscheint im taz Thema Veganes Leben, Ausgabe Januar 2022. Redaktion: Lars Klaaßen. Frühere Ausgaben des taz Themas Veganes Leben können Sie hier nachlesen.

• Kristina Simons arbeitet als freie Journalistin in Berlin und schreibt regelmäßig für die taz Themen. Viele ihrer Texte finden Sie im taz-Archiv.