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Archiv-Artikel

Es gibt Liebe auf den ersten Knick

Das „extrablatt“ zur taz-Initiative „Erlesenes erhalten“ muss jeden Samstag zu einem kleinen Buch gefaltet werden. Sie haben ein Problem damit? Da hilft vielleicht eine Origami-Expertin

taz: Frau Thanner, wir haben ein Falt-Problem.

Andrea Thanner: Schießen Sie los.

Einige Leser haben Schwierigkeiten, unser „extrablatt“ in der Samstagausgabe zu falten.

Haben Sie Berg- und Tallinien eingezeichnet?

Berg- und Tallinien?

Ja, das sind die Faltlinien. Wenn sie eine Berglinie falten, dann schauen Sie obendrauf. Wenn Sie es umdrehen, haben sie ein Tal.

Und wie erkennt man, wann es eine Berg- oder eine Tallinie ist?

An der Strichelung. Strich-Abstand-Strich ist Tal, Strich-Punkt-Strich ist Berg. Aber manche Origami-Typen brauchen diese Strichelung gar nicht.

Die Leserschaft ist offenbar gespalten: Manche Leser schaffen es, den Bogen zu falten, manche nicht. Wann ist man denn ein Falttyp?

Es gibt Leute, die sehr talentiert sind. Wenn ich Origami unterrichte , dann merke ich auf den ersten Knick, wer Talent hat. Egal ob Kind oder Erwachsener.

Was macht das Talent aus?

Wenn jemand sehr genau faltet und sofort dem folgen kann, was man sagt – egal wie oft man das Papier dreht. Er hat ein gutes optisches Gedächtnis. Die Steigerung ist es, wenn sich jemand alle Faltschritte merken kann und das Modell sofort nachmacht.

Hilft mathematisches Denken?

Nicht unbedingt. Mathematik ist sicher von Vorteil. Es gibt auch unterschiedliche Lerntypen. Manche lernen optisch besser, manche akustisch.

Akustisches Falten?

Es gibt Leute, die erfinden Geschichten beim Falten. Man fängt an mit einer Falte in der Mitte des Papiers und sagt: Okay, das Kind hat ein Buch.

Weil die Buchfalte in der Mitte ist.

Dann macht man das Papier auf, dreht es und faltet es nochmal in der Mitte, dann hat man einen Schrank.

Ist der optische Typ besser als der akustische?

Nein, das kann man nicht sagen.

Wenn ich aber weder ein optischer noch ein akustischer Typ bin?

Dann müssen Sie 1.000 Kraniche falten.

Ist der Vogel das einfachste Modell?

Nein.

Das Schiff?

Welches Schiff?

Na, das ganz einfache Schiff, das auch ein Hut ist.

Ja, das hat ja jeder schon mal im Kindergarten gemacht.

Wann ist man denn ein Faltprofi?

Kann man nicht sagen. Es gibt in Deutschland kein Zertifikat für Origami-Lehrer. Im Gegensatz zu den Niederlanden. Dort muss man eine praktische Prüfung ablegen und etwas zur Geschichte von Origami erzählen können.

Falten – Männer- oder Frauensache?

Das ist völlig unterschiedlich.

Inwiefern?

Es hängt vom Land ab. Ganz komisch. In England und Spanien sind es 70 Prozent Männer. In Frankreich ist es halbe-halbe. In Italien sind es 70 Prozent Frauen, in den Niederlanden – ganz extrem – sind es 99 Prozent Frauen.

Und in Deutschland?

80 Prozent Frauen, würde ich sagen.

Warum ist das so?

Ich vermute, dass es Sache des Rufs von Origami ist. Viele betrachten das als Kinderkram oder Bastelei.

Frau Thanner, ein letzter Expertentipp für unsere Leser.

Schwierig, aus der Ferne. Manchmal ist es wichtig, zwei oder drei Anläufe zu nehmen. Das braucht schon Geduld, wenn man nicht gerade der Falttyp ist. Und wenn Ihre Leser es dann nicht schaffen, sollen sie sich bei Origami Deutschland melden.

Das ist ein Angebot.

www.papierfalten.de ist die Adresse.