Es geht ums Abzocken: Etwas mehr hätt’s schon sein dürfen

betr.: „Minister Schlauch steht voll im Saft“ (Kürzung beim Arbeitslosengeld, steigende Belastung der Patienten, dafür aber weniger Unternehmensteuern, weniger Kündigungsschutz – so beschreibt Rezzo Schlauch vor der Pariser Handelskammer die rot-grüne Erfolgsstory), taz vom 26. 6. 03

Ich kann mir schon vorstellen, wie sich die Herren schenkelklopfend über ihre jeweilige Arbeitnehmerschaft lustig machten, die mehr oder weniger klaglos alles akzeptieren, was ihnen mit Verweis auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Arbeitgebern und ihren Sprachrohren aus der Politik aufoktroyiert wird. […]

Aber, Monsieur le Ministre, etwas mehr hätt’s schon sein dürfen. Sie hätten doch noch berichten können vom heroischen, jahrelangen Kampf der hiesigen Mittelstandsvereinigungen gegen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gegen das aus furchtbaren Klassenkampfzeiten stammende, so gar nicht mehr in unsere Zeit der Befreiung von sozialstaatlicher Bevormundung passende Betriebsverfassungsgesetz. Sie hätten Visionen aufgehen lassen können von betriebsrats- und gewerkschaftsfreien Unternehmen, von verschrotteten Urlaubsgesetzen, von tariffreien Zonen, in denen Arbeitnehmer sich zu zehn Euro die Stunde anbieten. Also, da hat schon noch etwas gefehlt, um die Frage „Would the real Mr. Westerwelle please stand up?“ richtig spannend werden zu lassen. Aber das wird schon noch, Monsieur le Ministre, das bewusstlose Nachplappern all der Sprüche von den Marktzwängen funktioniert in der Partei doch ganz gut.

Das bringt mich aber zu dem Problem, warum wer in dieser Partei ist. […] Es ist doch heutzutage mindestens so absurd, als Arbeitnehmer in der richtigen FDP zu sein, wie in dieser renaturierten FDP, die ja mal, das gebe ich gerne zu, in den 80er-Jahren eine viel versprechende Alternative war. Mach’s doch einfach, tritt doch einfach aus. Ich hab’s nach 17 Jahren auch getan. Du wirst sehen, es geht dir hinterher richtig gut.KARL ISCHINGER, München