■ Erster Durchgang der französischen Kommunalwahlen: Widerwille gegen das bekannte Spiel
Der „Chirac-Effekt“ blieb aus: Weder gab es bei den französischen Kommunalwahlen am Sonntag eine massive Bestätigung für die konservative Mehrheit des neuen Staatspräsidenten, noch nutzten die Wähler die Gelegenheit, um ein linkes politisches Gegengewicht in den Rathäusern zu schaffen. Statt dessen bemühte sich einen Monat nach den Präsidentschaftswahlen über ein Drittel der Franzosen erst gar nicht an die Urne. Diese Enthaltung – die höchste seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges – ist nicht etwa der Protest gegen allzu viele Wahlen binnen allzu kurzer Zeit. Sie bestätigt vielmehr eine Entwicklung, die sich bereits bei den letzten Europa-, Kantonal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzeichnete: sie alle registrierten Rekordzahlen an Nichtwählern.
Das zweite Ergebnis des ersten Durchgangs der Kommunalwahlen ist das starke Abschneiden der Front National. Die Strategie der rechtsextremen Partei, die seit Jahren dort Präsenz zeigt, wo die traditionelle Politik schwach ist, ging damit auf. In Frankreichs sozialen Brennpunkten, in Grenzgegenden, an Orten mit starker Immigration und solchen mit hoher Arbeitslosigkeit wird künftig die Front National in die Rathäuser einziehen. Die Warnung der großen Parteien – jede Stimme für die Front National sei „unnütz“, eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen werde es nicht geben – beeindruckte die Wähler nicht.
Das dritte Ergebnis des Urnengangs ist das Votum der Wähler gegen eine alte französische Politiker- Tradition: die größtmögliche Anhäufung von Ämtern pro Person. Wo Bürgermeister sich bewährt haben, wo sie um der Konzentration auf kommunale Aufgaben willen auf zusätzliche Mandate in der Region beziehungsweise auf zentraler Ebene verzichteten, wurden sie wiedergewählt. Selbst wenn ihre Parteizugehörigkeit nicht der politischen Geographie entspricht – wie bei der Sozialistin Trautmann in Straßburg. Wo sich hingegen Pariser Minister oder andere auswärtige Ämtersammler bewarben, schnitten sie entweder ganz knapp ab – wie Premierminister Juppé in Bordeaux – oder unterlagen bereits im ersten Wahlgang – wie Gesundheitsministerin Hubert in Nantes.
Am Sonntag waren 24 Millionen Franzosen aufgerufen, die künftige Besetzung der Rathäuser ihrer 36.000 – teils winzigen – Gemeinden zu bestimmen. Die widersprüchlichen Signale, die sie abgaben, spiegeln regionale Traditionen und kommunale Unterschiede wider. Als einheitliches Signal kam aus dem ganzen Land ein Widerwille gegen das bekannte politische Spiel. Dorothea Hahn, Paris
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