Erste Regierungserklärung von Olaf Scholz: Keine Visionen
Der neue Erste Bürgermeister verspricht wenig, killt die Stadtbahn und lässt die Zukunft von Hamburg Energie offen.
Nach neuneinhalb Jahren wird Hamburg wieder sozialdemokratisch regiert. Für Regierungschef Olaf Scholz heißt das vor allem "mit ordentlichem Regierungshandwerk", wie er am Mittwoch in seiner vollständig visionsfreien Regierungserklärung beteuerte.
Nach der Vereidigung des Senats beschwor Scholz in einer gut einstündigen Rede blumig sein "Leitbild moderne Stadt". Die baue auf die Werte "Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität". Das Motto seiner Regierung werde "an jedem Tag aufs neue lauten: Wir schaffen das moderne Hamburg." Das werde kein Spektakel werden, auch "kein Wohlfühlwettbewerb", sondern eine Politik, "die pragmatisch an Herausforderungen herangeht".
Scholz konkretisierte vor allem seine Wahlkampfversprechen. So kündigte er nicht nur an, die Ausgabenerhöhungen auf ein Prozent zu deckeln, sondern künftig auch die Eckdaten des Haushalts für vier Jahre im Voraus zu beschließen. Ausgabendisziplin soll auch ein "Controlling für öffentliche Bauprojekte in der Senatskanzlei" erbringen.
Erwartungsgemäß kündigte Scholz an, "den Hafen wieder ins Zentrum unserer Wirtschaftspolitik zu stellen". Da seien Hafenquerspange, Elbvertiefung und Y-Trasse zwischen Hamburg/Bremen und Hannover notwendig. Schmallippiger gab er sich beim Thema Ökologie: Neben dem eher symbolischen Bekenntnis zu einer Abschaltung der AKWs Krümmel und Brunsbüttel bot er kaum Konkretes, verlor über die Zukunft des städtischen Versorgers Hamburg Energie kein Wort.
Den Todesstoß verpasste Scholz der Stadtbahn: "Wir werden kein neues System einführen", stattdessen soll das Bussystem mit Vorfahrtsschaltungen und Zusatzspuren ausgebaut werden.
Von geplanten 6.000 Neubauwohnungen jährlich sollen 2.000 im Sozialen Wohnungsbau entstehen. Die Bezirke forderte Scholz auf, "verbindliche Wohnbauprogramme vorzulegen".
"Noch zum August", so Scholz, werde die schwarz-grüne Kita-Gebührenerhöhung rückgängig gemacht. Die Studiengebühren sollen dagegen erst zum Ende der Legislaturperiode abgeschafft werden. Den Kulturschaffenden versprach er, "den Negativtrend von Kürzungen, Streichungen und Schließungen umzukehren".
Der neue CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich warf Scholz in seiner Replik einen Hang "zur Alleinherrschaft" sowie einen "Hauch von Basta-Politik" vor. Er kritisierte die "Aufblähung des Senats" auf 10 Senatoren und 15 Staatsräte zur "zweitgrößten Landesregierung nach dem zehn mal größeren Nordrhein-Westphalen". Scholz verspreche "Allen alles" habe aber "kein Konzept und keine Vision".
Die Debatte war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört