: Erschütternde Zahlen
betr.: „Der eingebildete Kranke“, taz zwei vom 21. 1. 09
Reinhard Siemes zitiert erschütternde Zahlen über den Krankenstand in der Republik und weist berechtigterweise auf die gemeinsame Profitmache von Medien und Pharmaindustrie in Ausnutzung dieses desolaten Zustands hin. Mehr als die Misere an sich hat mich jedoch der Stil dieses Beitrags traurig gemacht.
Mit Häme und arrogantem Drüberstehen wird der Einduck erweckt, eine hypochondrische Nation suche fieberhaft nach körperlichen Leiden. Damit werden nicht nur Würde und Leid der tatsächlich körperlich Kranken missachtet, es werden auch alle mit Füßen getreten, denen aus seelischen Gründen nicht wohl in ihrer Haut ist. Denn nach den Erkenntnissen der psychosomatischen Medizin sind seelische Nöte überhaupt der Hauptauslöser für körperliche Symptome. Ich zitiere Herrn Siemes: „20 Prozent aller Bundesbürger sind in irgendeiner Form krankhaft schwermütig.“ Wäre es da nicht eher angebracht, die gesellschaftlichen Umstände unseres gefühlten Krankseins genauer unter die Lupe zu nehmen, statt sich in einem offensichtlich als Unterhaltung konzipierten Artikel darüber lustig zu machen? Das große Spottthema Allergien. Ist hier nicht eher ein Wachrütteln der Öffentlichkeit gefordert bezüglich unserer schleichenden, immer noch zunehmenden Vergiftung durch Lebensmittel, Luftschadstoffe, Wasser und technische Strahlung, deren Summationseffekt völlig unbekannt ist? Bitte keine Unterhaltung auf Kosten der Opfer dieses Systems mehr in der taz!
SABINE MIEHE, Marburg