Erlösender Elfmeter: Ein Knistern wie damals
Die Fußballer von Werder Bremen liefern beim 5:3-Heimsieg gegen den SC Freiburg einen Krimi wie zu besten Zeiten. Die Partie hilft nicht nur dem zuletzt oft gescholtenen Aaron Hunt, sondern dem gesamten Team.
BREMEN taz | Es ist etwas mehr als 25 Jahre her, da wurde am rechten Pfosten des Tores in der Ostkurve des Bremer Weserstadions Geschichte geschrieben. Michael Kutzop verschoss im Spiel gegen Bayern München den Elfmeter, der Werder den Meistertitel beschert hätte. Am Samstag im Spiel gegen den FC Freiburg ging es nur um drei Punkte am Anfang einer langen Saison. Aber als sich Aaron Hunt in der 87. Minute beim Stand von 3:3 den Ball schnappte und entschlossen auf den gleichen Elfmeterpunkt legte, knisterte es genauso stark wie damals.
39.000 Zuschauer wussten: Das ist nicht nur der Show-Down eines Fußballkrimis, sondern möglicherweise der Knackpunkt in der Karriere eines Fußballers. Ausgerechnet Hunt - der Spieler, der als Sündenbock für die Werder-Misere der vergangenen Saison ausgemacht wurde, dem hier seit langem nicht der kleinste Fehltritt mehr verziehen wird, ausgerechnet der hat den Mut, hier über Sieg und Niederlage zu entscheiden.
"Mir war sofort klar, dass ich den schießen werde, ich habe mich gut gefühlt", sagte Hunt später. "Das Gemurmel hinter dem Tor musst du halt aushalten. Es ist doch klar, dass es eine wichtige Szene werden würde, dass damit Riesenerwartungen verbunden waren und alle mitgelitten haben."
Nach der Schockstarre entschloss sich der Großteil des Publikums zum aufmunternden Klatschen - doch eine Minderheit, vornehmlich auf den teureren Plätzen, sorgte für die bizarre Situation, dass Hunt auf dem Weg zum Elfmeter-Punkt von Pfiffen des eigenen Anhangs begleitet wurde.
Wäre der Ball, den er dann cool zum 4:3 ins rechte untere Eck versenkte, nur ein paar Zentimeter weiter nach rechts gerutscht, wie einst der von Kutzop - Aaron Hunt wäre mit Schimpf und Schande übergossen worden und Trainer Thomas Schaaf hätte ihn in nächster Zeit durch Nichtaufstellung schützen müssen.
"In solchen Szenen wie heute kannst du dich positionieren", bewertete Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs anschließend die Situation. "Man muss als Leistungsträger in so einer Situation antreten. Das wird ihn heute wieder einen Stück weiterbringen."
Weitergebracht hat diese Partie Werders gesamtes Offensiv-Spiel. Phasenweise lief der Ball wie in besten Zeiten über die Raute in die Spitze. Lange wurden nicht mehr so viele gefährliche Situationen über die Flügel vorbereitet wie am Samstag von Sokratis und Schmitz: Alle fünf Treffer wurden über links eingefädelt, wo Marko Marin mit drei Torvorlagen und etlichen gelungenen Aktionen das beste Spiel seit über einem Jahr machte.
Marin ist das beste Beispiel für den Segen des neu entbrannten Konkurrenzkampfes in Werders Kader. Immerhin saßen die drei teuersten Einkäufe der letzten beiden Jahre zuerst draußen - und leisteten allesamt nach der Einwechslung noch ihren Beitrag zum Sieg. Arnautovic köpfte das 3:2 (65.), Ekici holte den Elfmeter zum 4:3 heraus (87.) und Wesley setzte mit einem Kontertor den Schlusspunkt zum 5:3 (93.). Der einzige, der bei Werder nach wie vor keine Konkurrenz fürchten muss, ist Claudio Pizarro, der nach langer Verletzungspause gleich wieder ein Weltklasse-Tor zum 2:1 (34.) erzielte.
Auf der Gegenseite reichte den Freiburgern ihr Weltklassestürmer Papiss Demba Cissé, um die Partie mit zwei Toren (7., 48.) und der Vorlage zum 3:3 (84., Reisinger) bis zum Schluss spannend zu halten. "Heute war die Offensive besser, die Defensive hat dafür nicht so gut mitgemacht", analysierte Werder-Trainer Thomas Schaaf und aktivierte ein in Bremen altbekanntes Schlagwort. "Wir müssen die richtige Balance finden."
Bei der Suche danach wird Kapitän Per Mertesacker, der am Samstag in einigen Situationen ungewohnt unsicher wirkte, weiter mithelfen. "Ich bleibe in Bremen", wischte er Wechselgerüchte beiseite und bescherte den Werder-Fans das Sahnehäubchen auf ein Fußballfest.
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