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Archiv-Artikel

Erdgas von den falschen Freunden KOMMENTAR VON REINER METZGER

Die Importe von Öl und Gas sind die Grundlage unserer derzeitigen Wirtschaftsweise. Daher ist die Aufregung groß, wenn ein wichtiger Lieferant seine Muskeln spielen lässt. Derzeit ist dies Russland, das seine Gaspreise für die Lieferungen in die Ukraine mehr als vervierfachen will. Wenn nicht – kein Gas. Prompt droht die Ukraine, sich zur Not bei den Durchleitungen nach Westeuropa zu bedienen.

Das ruft diejenigen auf den Plan, die Alternativen zum Gas aus Osteuropa fordern. Doch wo soll der Ersatz herkommen? Öl und Gas decken 60 Prozent unseres Energieverbrauchs. Selbst wenn sich der Anteil der regenerativen Energien, vor allem aus Sonne oder Wind, in den kommenden 25 Jahren verzehnfacht, ersetzen sie gerade einmal Atomstrom und Kohle – für Umweltbewusste eine schwer erträgliche Vorstellung.

Der Anteil des Gases an der Gesamtnachfrage wird also steigen, weil es besser fürs Klima ist als Öl oder Kohle und billiger als fast alles andere. Aus dem Nordseeboden pressen die Anrainer aber schon das letzte Quäntchen heraus. Da bleibt die Wahl zwischen Erdgas aus Russland und Flüssiggas aus Nahost – auch keine Weltgegend, die Liefersicherheit verspricht.

In diese Falle haben sich die Industrieländer selbst hineinmanövriert. Eine Generation lang haben sie das Energiesparen und die Erneuerbaren nicht wirklich ernst genommen. Jetzt sind wir von zweifelhaften „befreundeten“ Ländern abhängig. Und dies, angesichts der langen Planungszeiträume für Großprojekte im Energiesektor, noch für Jahrzehnte.

Es gilt, sich zu arrangieren. Für Deutschland erhöht die neue Ostsee-Gaspipeline aus Russland die Versorgungssicherheit, weil Querelen mit den Transitländern eine geringere Rolle spielen. Aus deutscher energiepolitischer Sicht ist der Bau richtig – und nationale Interessen verfolgen auch alle anderen Staaten. Sich im Preisfindungsstreit zwischen Kiew und Moskau funktionalisieren zu lassen, weil ein Lieferstopp auch für Erdgas nach Deutschland droht, ist weder wirtschaftlich noch politisch richtig. Die Mittel- und Osteuropäer müssen selbst einen Weg finden, sich mit ihrem mächtigen Lieferanten zu arrangieren.