Erdbeben in Italien: Es gab Warnungen
In Italien wird über eine erdbebensichere Bauweise diskutiert. Der Ruf nach strengen Baunormen wird lauter.
ROM taz "Keine Polemik", verkündete Oppositionsführer Dario Franceschini, Chef der Demokratischen Partei, wenige Stunden nach dem Beben. Und der politische Burgfrieden im Angesicht der Katastrophe hält vorerst. Wenigstens an zwei Fronten aber beginnen die Medien, kritische Fragen zu stellen.
Da ist zum einen die Frage: War das Erdbeben nicht womöglich doch vorhersehbar? In einer Tageszeitung machte sich am Dienstag der Forscher Giampaolo Giuliani Luft. Er ist Elektroniktechniker im Nuklearforschungslabor unter dem Gran-Sasso-Bergmassiv bei L'Aquila. Und er hatte dank eines von ihm entwickelten Radon-Messungsverfahrens ein schweres Beben vorhergesagt. Das brachte ihm vergangene Woche eine Anzeige wegen "Erzeugung von Panik" ein. Diese Anzeige, so Giuliani, sei für ihn zum Maulkorb geworden. Repubblica druckt ein Messblatt Giulianis ab, das für Sonntag 18 Uhr einen hohen Ausschlag des aus dem erdreich austretenden Edelgases Radon zeigt - für den Forscher ein untrügliches Indiz, dass in L'Aquila binnen 24 Stunden die Erde beben würde. Doch warnen konnte er nur die eigene Familie. Die Tochter gab die Alarmmeldung an in L'Aquila lebende Freundinnen weiter. Alle Erdbebenforscher in Italien, ebenso wie in anderen Ländern, erklären jedoch weiterhin, da müsse es sich um Zufall handeln. Erdbeben seien nun einmal nicht sicher zu prognostizieren.
Vorhersehbar waren dagegen die Folgen eines Bebens, das von Geologen als eher "moderat" eingestuft wird. "Ein solches Erdbeben hätte in Kalifornien keinen einzigen Toten gekostet", zitiert der Corriere della Sera den Präsidenten der staatlichen "Kommission für herausragende Risiken", Franco Barberi. Gewiss, viele der jetzt zusammengestürzten Bauten sind Jahrhunderte alt. Doch jenes Studentenwohnheim, das in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus, war in den Sechzigerjahren errichtet worden. Und das gerade einmal neun Jahre alte Krankenhaus vor den Toren der Stadt musste komplett geräumt werden, nachdem ein Flügel eingestürzt war. Fachleute kritisierten, dass neue Häuser eingestürzt seien. Eines ist gewiss: Eine neue und strengere Baunorm wird kommen - wie jedes Mal nach einem Erdbeben in Italien. Fast genauso gewiss ist: Wenige werden sich daran halten.
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