„Er ist Deutscher!“ : Enttäuschung in Lateinamerika
AUS BUENOS AIRES INGO MALCHER
Mein Hausmeister war der Erste. Als ich am Dienstagnachmittag nach Hause kam, wartete er mit glasigen Augen in der Tür, streckte mir gerührt die Hand entgegen und sagte: „Herzlichen Glückwunsch!“ Glückwunsch wozu? „Zum Papst, er ist Deutscher.“ Er freute sich ehrlich für mich und die Deutschen, die er kaum kennt. Und er fragte: „Was ist das für ein Gefühl? Ich meine, wenn er Argentinier wäre, wäre ich unglaublich stolz.“
Es war noch Nachmittag auf der Südhalbkugel, als Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Als die Nachricht im Radio kam, verließ mein Hausmeister sofort seinen Posten, um am Fernseher live dabei zu sein. Er war nicht der Einzige. In Lateinamerika, wo die Hälfte aller Katholiken lebt, wurde die Papstwahl verfolgt. Einige hatten die Hoffnung, es könnte jetzt mal einer von ihnen werden, wo sie doch die Mehrheit stellen. Doch dann wurde es ein Deutscher, der weder Heavy-Metal-Musik noch Schwule mag. Das wusste immerhin Argentiniens größte Tageszeitung Clarín zu berichten, die auch noch eine Familie in der Provinz Mendoza fand, die Ratzinger mit Nachnamen heißt und behauptet, mit dem Papst verwandt zu sein.
In Buenos Aires hingegen interessiert man sich eher für den privaten Papst. In der Pizzeria Angelin etwa, an der Avenida Córdoba. Der Wirt ist ein gut informierter Mann, selten verlässt er seinen Posten an der Kasse, von wo aus er den Fernseher im Blick hat. Daher weiß er: „Lange wird er es nicht machen: Er hatte vier Bypass-Operationen.“ Und nicht nur das. Ratzinger, so weiß man hier, „hat auch noch einen eingewachsenen Fußnagel“.