"Equal Pay Day" in Hamburg: Handtaschen voller Geld
Mit einer Massenberatung in Sachen Gehaltsverhandlung für rund 1.000 Frauen wurde am Freitag in Hamburg ein Weltrekord gebrochen - und ein klassisches Problem praktisch angegangen.
Ausgerechnet rote Taschen. Zu hunderten liegen sie am Eingang eines Hamburger Konferenzsaals, in dem gerade der Weltrekord im Gehalts-Coaching für Frauen erreicht werden soll. Zwei Frauen des "Business and Professional Women Germany Club" greifen sich im Akkord einen der roten Beutel, stopfen Broschüren und Bücher hinein und geben ihn der neuen Teilnehmerin auf der anderen Tischseite. Schnell noch die Bitte um eine Unterschrift auf der Protestliste, und schon wechselt die nächste Tasche die Besitzerin.
Den Beutel unter dem Arm tragend setzen sich die Frauen unmittelbar an den Tisch eines Coaches. Insgesamt 52 Beraterinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind anlässlich des "Equal Pay Day" angereist, um alle Fragen rund um Gehaltsverhandlungen zu beantworten. Dieser Tag soll jeweils am 20. März auf die Gehaltskluft zwischen Frauen und Männern aufmerksam machen.
Im vergangenen Jahr beteiligten sich deutsche Städte zum ersten Mal am "Equal Pay Day". Die rote Tasche ist das Wahrzeichen für 2009. Sie steht für die Tatsache, dass Frauen noch immer weniger Lohn in der Tasche haben als Männer. Damit die Hamburger den Eintrag in das Guinnessbuch der Rekorde schaffen, müssen innerhalb von zwölf Stunden mindestens 1.000 Frau gecoacht werden. Deshalb haben die Berater für jede Frau gerade einmal zehn Minuten Zeit.
"Viele der Frauen, die heute hier sind, befinden sich im Grenzbereich zwischen Coaching und Therapie", sagt die Erfolgstrainerin Renate Hannemann aus Bensheim. Viele Frauen seien in ihrem Beruf zutiefst verunsichert. Besonders seit der Wirtschaftskrise wachse die Angst vor der Arbeitslosigkeit und davor, aus Altersgründen keinen neuen Job mehr zu finden. Trotz des großen Andrangs hat Hannemann für einen kurzen Moment Pause. Unauffällig holt sie einen Handspiegel aus ihrer Tasche und zieht mit geübtem Schwung ihre dunkelroten Lippen nach. Kurz darauf erklärt sie einer Frau das "Adenauer-Kreuz". Diese Plus-Minus-Liste habe der damalige Kanzler benutzt, um Entscheidungen zu fällen. Sie sei aber auch hilfreich, um sich der eigenen Stärken bewusst zu werden.
Die Frauen seien dann häufig überrascht darüber, was bei ihnen alles auf der Plus-Seite steht: Abitur, Studium, Kinder, Familie und Beruf. Mit den Dingen auf der Minus-Seite solle man besser wie Konrad Adenauer verfahren: "Wat juckt mich dat Geschwätz von jestern", zitiert Hannemann im schönsten Rheinisch.
Etwas abseits der Coaching-Tische steht Ingrid Herbrand aus Castrop-Rauxel. Die Inhaberin eines Kosmetikstudios ist einer Freundin zuliebe nach Hamburg gefahren, die hier einen Auftritt als Coach hat. "Wir müssen lernen, mehr Forderungen zu stellen", sagt sie. Dass Frauen in Deutschland immer noch bis zu 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen, sei ein Trauerspiel, sagt sie. Besonders ungerecht findet Ingrid Herbrand es, dass Frauen neben dem Beruf auch den Haushalt zu erledigen hätten - ohne dafür angemessen entlohnt zu werden.
Die Businessberaterin Monica Deters weiß, wie schwer es Frauen fällt, ihren Chef von einer Gehaltserhöhung zu überzeugen. Dabei seien unter den Teilnehmerinnen des Hamburger Highspeed-Coachings gebildete und promovierte Frauen. "Die brechen aber ein, wenn der Chef ein Killerargument einbringt", sagt sie. Eines dieser "Killerargumente" sei derzeit die Finanzkrise. Damit argumentierten Arbeitgeber immer öfter, um der Mitarbeiterin die Lohnerhöhung aus dem Kopf zu schlagen. "Frauen denken dann nicht daran, stattdessen nichtmonetäre Mittel einzufordern", sagt Deters. Freie Tage, mehr Urlaub - die Chancen stünden da gar nicht schlecht. "Wir wollen immer die lieben, braven Mädchen sein - das geht im Businessbereich aber nicht."
Jetzt müsse sie aber wieder los, sagt Deters: "Ich bin so motiviert heute." In diesem Augenblick öffnet sich die Fahrstuhltür und das Geklacker von mindestens zwölf Hackenschuhen ertönt im Foyer, bis es im lauten Gemurmel der Halle untergeht. Frauen, so scheint es, treten bei Protestaktionen lieber im Rudel auf. Am provisorisch aufgebauten Empfangstisch erwarten sie schon die roten Beutel und unzählige Broschüren.
Außer einigen Coaches verirren sich nur wenige Männer in die Veranstaltung. "Guten Morgen, ist das Ihr Mann?", fragt die Frau vom Infostand eine der Neuangekommenen. Während er etwas unsicher in die Halle voller Frauen und Tische guckt, lacht seine Gruppe laut auf. Dabei hätten auch Männer oft eine Berufsberatung nötig, sagt die Trainerin Renate Hannemann. "Viele Männer werden durch die Arbeit krank", sagt sie. Burnout und Suchtkrankheiten seien aus Frust vor dem Job unter dem vermeintlich starken Geschlecht weit verbreitet. Frauen litten hingegen eher an Persönlichkeitsstörungen. Viele zeigten Symptome des Borderline-Syndroms. Ihr Tipp: sich treu bleiben und versteckte weibliche Potenziale nutzen.
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