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■ Entschlossen folgt Tony Margarets SpurenDas eiserne Bambi

John Majors Stellung als Parteiführer und britischer Premierminister sei ungefährdet, versicherte sein Innenminister Michael Howard nach der verheerenden Tory-Niederlage bei den Kommunalwahlen vom Donnerstag. Das heißt: Major muß mit dem Schlimmsten rechnen. Doch auch ein neuer Parteichef – sollte Major im Herbst geschaßt werden – könnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Dazu ist der Vorsprung von „New Labour“, wie Parteichef Tony Blair die Labour Party nach der Sozialdemokratisierung getauft hat, viel zu groß. Außerdem hat Blair einen wichtigen Trumpf in der Hand: Er ist der wahre Erbe Margaret Thatchers.

Für Major ist die Eiserne Lady eine schwere Bürde. Sie hat ihm eine gespaltene Partei hinterlassen, so daß er weder zu viel Lob noch zu scharfen Tadel an ihr wagen kann. Blair hingegen drückt seine Verehrung unbekümmert aus: Thatcher zeichne besonders die bewundernswerte Eigenschaft der Entschlossenheit aus. Physiognomische Ähnlichkeiten zwischen den beiden sind Karrikaturisten schon aufgefallen, doch die Übereinstimmungen betreffen vor allem den politischen Stil. Thatcher hatte nach ihrem erzwungenen Rücktritt angekündigt, sie werde bei Major „die Chaffeurin auf dem Rücksitz“ sein. Offenbar ist sie ins falsche Auto eingestiegen: Während Major vor sich hinschlingert, stammen weite Teile der Blair-Philosophie aus Thatchers Kursbuch. Wenn er von „moralischen Werten, individueller Verantwortung und Selbstdisziplin“ spricht, schwingt die Stimme der Gemüsehändlerstochter aus Finchley mit.

Kein Zufall, schließlich zielt Blair auf dieselben WählerInnenschichten ab, die für Thatcher wegen ihrer markigen Maximen zur Verbrechensbekämpfung, zur Leistung im Beruf und Disziplin in der Schule gestimmt haben. Wenn es nach Blair ginge – es geht immer mehr nach ihm –, dann würden die Begriffe „rechts“ und „links“ in der britischen Politik abgeschafft. Blair ist Populist, die Thatcher-Fans der achtziger Jahre werden die Blair-WählerInnen der neunziger sein. In der Präsentation hat Blair ebenfalls viel von Thatcher gelernt. Die Tory-Strategen haben den Labour-Sonderparteitag vom vergangenen Samstag als „inhaltsleere Propaganda-Show im US-amerikanischen Stil“ abgetan. Genau das war sie auch. Jetzt muß Blair nur noch seinen Spitznamen ablegen: „Bambi“, wie er wegen seines treuherzigen Blickes heißt, klingt im Vergleich zum eisernen Kotzbrocken wirklich nicht nach Entschlossenheit. Ralf Sotscheck, London

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