"Entscheidend für Europas Wohlstand": Brüssel hilft Europas Autoindustrie
Die EU-Kommission lässt den Regierungen Spiel, die Autobauer zu stützen. Sie müssen nur den Binnenmarkt achten.
BRÜSSEL taz Für den Sondergipfel am ersten März schreibt die EU-Kommission den Regierungen vor allem eins ins Stammbuch: Nationaler Protektionismus passt nicht mit dem europäischen Binnenmarkt zusammen. Das ist der Kern einer Mitteilung zur europäischen Automobilindustrie, die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und Industriekommissar Günter Verheugen am Mittwoch veröffentlichten.
In dem Papier heißt es, die Automobilbranche sei entscheidend für Europas Wohlstand. Zwölf Millionen Jobs hingen direkt oder indirekt davon ab. 18 Millionen Fahrzeuge liefen jährlich vom Band - fast ein Drittel der weltweiten Produktion. Doch im letzten Quartal 2008 brach die Nachfrage um 20 Prozent ein. Deshalb will die Europäische Investitionsbank (EIB) im März 3,8 Milliarden Euro für Kredite bewilligen. Die Autohersteller hätten weitere 6,8 Milliarden Euro beantragt, sagte Verheugen. Er hatte schon im Januar verkündet, dass die Autoindustrie auf EIB-Kredite über 10 Milliarden Euro hoffen könnte.
Die Kommission verspricht nun in ihrem Papier, den Autosektor mit neuen gesetzlichen Regelungen zu verschonen. Man werde Kosten und Nutzen neuer Gesetzesinitiativen abwägen und neue Belastungen so weit wie möglich vermeiden. Im vergangenen Jahr hatte die EU neue Grenzwerte für die CO2-Emissionen beschlossen, die die Industrie zur Umstellung auf sparsamere Autos zwingt.
"Wir wollen alle europäischen Hersteller durch diese Krise bringen, und wir glauben, dass das möglich ist. Aber nur, wenn wir europäisch denken und handeln", sagte Verheugen. Es gebe schließlich längst keine nationalen Hersteller mehr, die Lieferkette verteile sich über mehrere Länder. Es sei aber nicht die Aufgabe der Kommission zu entscheiden, welche Produktionsstätten dichtgemacht werden und welche bestehen bleiben.
Auch bei stimulierenden Maßnahmen wie der Abwrackprämie haben die Mitgliedsländer großen Spielraum. Die Kommission prüft lediglich, ob die Maßnahmen mit den Wettbewerbsregeln vereinbar sind. Nicht zulässig wären Prämien, die an die Auflage gebunden sind, ein Auto aus nationaler Produktion zu kaufen.
Konkret zu Opel sagte Verheugen: "Es ist unser Ziel, die Arbeitsplätze bei Opel und den anderen GM-Töchtern in der EU zu erhalten. Hilfen sind nur möglich, wenn sie verlässlich das langfristige Überleben der Unternehmen sichern." Die Probleme seien aber nicht allein auf die Absatzkrise zurückzuführen, sondern auf "gravierende Managementfehler in der Zentrale in Detroit". Dafür könne nicht einfach der europäische Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Neelie Kroes betonte, ihre Wettbewerbsbehörde arbeite derzeit rund um die Uhr, um Beihilfen unbürokratisch zu genehmigen. "Wenn die Fakten und Zahlen vorliegen, kann das auch mal übers Wochenende geschehen." Derzeit würden die Unterstützungspläne von sechs Ländern geprüft, nämlich Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Schweden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört