piwik no script img

Enteignung von MauergrundstückenPotsdam zeigt Zähne

Im Konflikt zwischen Privateigentümern und Stadt um die Uferwege am Groß Glienicker Sees leitet der Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs die Enteignung ein.

Enteignung? Warum nicht auch am Griebnitzsee? Bild: Foto: dpa

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) scheint einen erholsamen Urlaub hinter sich zu haben. Energie geladen kündigte er am Mittwoch "eine härtere Gangart der Stadtverwaltung" im Streit um die Uferwege am Groß Glienicker See sowie am Griebnitzsee an. Insbesondere für die von privaten Anliegern beanspruchten Flächen am Ufer des Groß Glienicker Sees würden nun "förmliche Enteignungsverfahren eingeleitet". Ziel sei es, die Eigentümer zu bewegen, die Grundstücke an die Stadt Potsdam abzutreten, damit die Seepromenade öffentlich zugänglich wird. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um öffentliche Uferwege umzusetzen", sagte der Bürgermeister. Die Eigentümer sollen in dieser Woche schriftlich informiert werden.

Am Groß Glienicker See beanspruchen 42 Grundstücksbesitzer für insgesamt 26 Liegenschaften jeweils eine Fläche bis hinunter zum See. Die Stadt Potsdam dagegen beharrt auf einem öffentlichen Weg, der auf dem ehemaligen Kolonnen- oder Postenweg im Todesstreifen der Mauer verlaufen soll. Ursprünglich war der Weg seit 1990 auf dem zwei Kilometer langen Teilstück zugänglich. Zum Teil haben Anwohner die Durchgänge jedoch seit Mai 2009 gesperrt.

Nach Meinung Jakobs ist die harte Maßnahme daher angemessen. "Es ist ein Punkt erreicht, da reden und verhandeln nichts mehr bringt", sagte er. Seit zwei Jahren führe die Stadtverwaltung Gespräche mit den Eigentümern. Es sei ein Moratorium vereinbart, dann wieder aufgehoben worden. Den Anrainern wurden Kaufangebote von Seiten der Stadt gemacht. Schließlich habe Potsdam Bebauungspläne (B-Pläne) aufgestellt und Wegverlegungen debattiert. "Kaum ein Eigentümer hat darauf reagiert, keiner hat das unterbreitete Kaufangebot angenommen", betonte Jakobs. Das Enteignungsverfahren einzuleiten, sei "der einzige Weg".

Bei den Verhandlungen um den Uferzugang haben die Anwohner der Stadt wiederholt vorgeworfen, beim B-Plan-Verfahren geschlampt zu haben und die Flächen ohne angemessenen Preis in ihren Besitz bringen zu wollen, wie Anwohner-Anwalt Christoph Partsch erklärte. Potsdam dagegen hält den Anrainern vor, die 1-A-Seeuferstreifen - von denen 15 Abschnitte dem Bund gehören - nur privat nutzen zu wollen. Statt Gemeinsinn zu zeigen, soll die Öffentlichkeit draußen bleiben.

Sven Klosa, zuständiger Abteilungsleiter im Potsdamer Bauamt, geht davon aus, dass sich nur wenige Grundstücksbesitzer einsichtig zeigen. Die Enteignungsverfahren würden wohl "letztlich vor Gericht entschieden". Dabei rechne sich die Landeshauptstadt gute Chance aus. Ob die Ufer schon 2012 definitiv für Spaziergänger nutzbar sein könnten, wollten Jakobs und Klosa nicht sagen.

Am gleichfalls umstrittenen Griebnitzsee rechnet die Stadt zwar auch mit weiteren Auseinandersetzungen. Trotzdem werde für diesen Bereich bis November 2011 ein neuer B-Plan aufgestellt, so Jakobs. Die Stadt sei bemüht, darin viele "Vorschläge der Anwohner zu berücksichtigen". Anfang 2012 hofft Jakobs, einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan zu haben, um die Flächen erwerben zu können. Den ersten Plan hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2009 für nichtig erklärt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • MZ
    M. Zinke

    wenn man mal recherchiert stellt man fest, dass die grundstücke schon von den nazis enteignet wurden - und zwar ohne an den weg oder zugang zum see zu denken, sondern nur weil die eigentümer vieler grundstücke juden sind.

    nach der wende sind diese grundstücke - wie viele 1000 andere - an ihre rechtmäßigen eigentümer zurückgegeben worden. die JCC (jewish claims conference) hat geholfen.

    es spricht für sich, dass im roten potsdam nun die eigentümer ein zweites mal enteignet werden sollen. diesmal zwar nicht weil sie juden sind, sondern diesmal weil sie eben schöne privat-grundstücke haben und diese wecken nun mal begehrlichkeiten (bei sozialistisch tickenden menschen)...

  • J
    Jogger

    Enteignung in Deutschland, ein normaler rechtsstaatlicher Schritt in der Agrarwirtschaft, aber ein sehr gewagter Schritt im Garten rechtmäßiger Eigentümer. Wenn wir über Grundstücke der Anwohner laufen wollen - was am Glienicker See wirklich schön ist - dann müssen wir dafür auch bezahlen. Enteignung in Deutschland ist nämlich ein Zwangsankauf zu Marktpreisen. Das ist völlig anders, als in der DDR. Allerdings wird es spannend, wenn Potsdam die 13 Millionen Euro für den Uferweg zahlen soll. Spätestens da werden wir hören, wieviele Kitaplätze, wieviele Hartz IV Empfänger, wieviele Sozialausgaben dagegen stehen.

  • M
    merlberlin

    Bevor die Empörung der Bürger hier zu hoch schlägt, doch mal zur Sachverhaltsklärung. Die betreffenden Uferwege sind ja keine neue Erfindung. Wie auch im Artikel klar betont wird, handelt es sich um Durchwegungen, welche im Zuge des Grenzregimes der DDR eingerichtet wurden. Die Grundstückseigner, die bereits vor 1990 dort wohnten, müssten an diesen Zustand gewöhnt sein. Diejenigen, sie sich danach oft noch zum Spottpreis ein Uferstückchen sichern wollten, konnte von Anfang an wisssen, dass da was mit dem Weg auf ihrem Grundstück ist. Seit vielen Jahren steht der politische Konsens diesen Uferweg auch als Dokument der deutsch-deutschen Teilung zu erhalten. Gerade am Griebnitzsee kann man die Hinweistafeln auf dessen Geschichte nicht übersehnen. Es ist nachvollziehbar, dass Grundstückseigner von den üppig gestiegenen Preisen für ihre Quadratmeter in Nähe des Wassers profitieren wollen. Nur gerät die gegenwärtig in argen Konflikt mit den Interessen der Allgemeinheit. Letzlich werden Gerichte die Höhe der Entschädigungen festlegen. Potsdam ist eine reiche Stadt - doch auch der dortige Kämmerer ist nicht auf Rosen gebettet.

  • E
    Enrico

    Ich finde das ungeheuerlich. Ich gehe mal davon aus, dass diese Leute rechtmäßige Eigentümer dieser Grundstücke sind. Da hat sich die Stadt Potsdam einen Scheißdreck um's Allgemeinwohl zu scheren. Wenn die Eigentümer nicht verkaufen wollen, was ich vollkommen verstehe und aus diversen Gründen auch nicht täte, dann hat die Allgemeinheit eben einen Umweg zu machen. Ich dachte eigentlich, die Zeiten von unrechtmäßigen Enteignungen wären in Deutschland vorbei.

  • R
    Reginald

    Typische verlogene SPD-Politik: Zuerst hat man den Grundstückseigentümern die Grundstücke bis zum See für teures Geld verkauft. Natürlich haben dann die Eigentümer ihr privates(!) Grundstück auch nur privat nutzen wollen. Als dann die Proteste einsetzten hat die Stadtverwaltung plötzlich so getan als wüsste sie von nichts. Und nun wird eine Enteignung in Gang gesetzt, weil die Eigentümer auf ihrem (Eigentums-) Recht beharren? Danke an den Rechtsstaat.

  • H
    hornisse.04

    @ empörter Bürger:

    So isses, das werden die Rotwähler eines Tages noch schmerzhaft lernen.

     

    "Statt Gemeinsinn zu zeigen, soll die Öffentlichkeit draußen bleiben."

    Die "Allgemeinheit" kann überall spazieren latschen, nirgends ist die Umgebung so seen- und wasserreich.

    Als (übrigens mit Sicherheit REICHLICH Steuern zahlender) Grundstückseigentümer kann man aber SEIN Grundstück nicht einfach so irgendwo anders wieder aufschlagen.

    Das Ganze ist zu 99% einfach eine Neiddebatte, darauf wette ich.

  • B
    bobinbrooks

    Huhuhu. Heute im Trashbeutelchen: Gentrifizierung der Habenden. Und denen latscht der Pöbel dann auch noch frech vor der Nase herum.

     

    Bravo. Ich werde vermutlich dabei sein.

     

    @empörter Bürger: dieses Wissen werden wir vermutlich in den nächsten Jahren gut brauchen können. Wenn das Pendel zurückschlägt.

  • L
    Leidkultur

    Seen, Wälder und anderer Grund sollten prinzipiell Allgemeingut bleiben! Sonst zahl ich fürs Pilze sammeln bald Eintritt im Wald? Komme an keinen See mehr ran? Dar keine Beeren mehr pflücken? Kein Land mehr an Superreiche und Windige!!

  • H
    Heidi

    Super Potsdam! Ein Hoch auf den Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) !!!

    Endlich einmal jemand, der wirklich - wenigstens in dieser causa - die Interessen der Allgemeinheit vertritt. Warum nur wollen die Anwohner den schönen See ganz für sich behalten? Klar, sie sollen eine (angemesssene!) Entschädigung bekommen. Aber die Erholung eines Umseespaziergangs sollte doch wohl allen und nicht nur einer Handvoll Anwohner zugute kommen!

  • EB
    empörter Bürger

    Dieser Oberbürgermeister sollte lieber in die Linke wechseln. Die haben viele Jahrzehnte Erfahrungen mit Enteignungen in der DDR gemacht!