■ Endlich: Die Erdrotation ist bewiesen: Und sie bewegt es doch
Duisburg (taz) – „Ich werd' das Pendel jetzt einschwingen“, spricht der junge Mann im Strickpullover und schnappt sich eine brennende Kerze. Mit deren wachsgespeister Flamme brennt er eine Schnur ab, die das Pendel zum Schwung freigibt. In der Folge pendeln auch die Augenpaare der Betrachter fasziniert und rhythmisch hin und her.
An diesem Freitag abend findet sich ein Dutzend Hobbysterngucker im Treppenhaus eines abgenutzten Schulgebäudes ein, um in öffentlicher Veranstaltung ein klassisches Experiment nachzuvollziehen: Die Nummer vom „Foucaultschen Pendel“ wird gegeben. Ein historischer Versuch der Experimentalphysik, der zum Beweis des Tatbestandes dient, daß sich die Erde um die Sonne dreht.
Für diese Live-Show nimmt ein Bevollmächtigter den wissenschaftlich Interessierten zwei Mark fünfzig ab. Um Heerscharen von Pennälern mit der spektakulären Lehre von der Erddrehung beglücken zu können, ersannen die Baumeister der naturwissenschaftlich orientierten Oberschule die Experimentalanordnung eigens als Inhouse-Lösung. Streng nach Versuchsvorschrift ist an dem von der Decke darniederhängenden Haken ein Draht zu knüpfen. In Kellerhöhe, nach acht, neun Metern, endet der Schwungfaden an einem Metallzylinder, der das Pendel darstellt.
Auf dem Kellerboden ist der Pendelweg durch eine Metallintarsie schon vorgezeichnet. Weicht nun der Pendelweg beizeiten von dieser Strecke ab, gilt das als Beweis für die Erddrehung. „Denn das Foucaultsche Pendel verläßt niemals seine Schwingungsebene, die Erde dreht sich unter dem Pendel weg“, doziert Experimentator Thomas, derweil er in seiner Jutetasche nach weiteren Informationen kramt.
Die richtig harten Fakten werden den Physikfans drei Stockwerke höher präsentiert. „Ich werde nunmehr drei Ausführungen zur Erdrotation machen“, steigt der Dozent ein. Der Vortrag wird in einem völlig verwüsteten Klassenzimmer dargeboten: Gesplitterte Fensterscheiben, verbrannte Gardinen, verkohlte Fensterbänke. An der vergammelten Korkpinnwand hat sich ein Schmierant zu „Anthrax“ bekannt.
Doch die Jungforschis leben in anderen Welten. Völlig fasziniert starrt ein junger Mann mit Knopfaugen auf die Overheadprojektion, mit deren Hilfe der Vortragende Thomas den Mikrokosmos der einschlägigen Naturgesetze erläutert. „Folglich findet am Äquator überhaupt keine Pendelbewegung statt“, zieht er eine Konklusion. Gerührt hält ein Nachwuchspyhsikerpaar Händchen unter der Schulbank. „Das Pendel kennt seine Ruhelage, und somit stellt sich hier die Frage nach dem absoluten Raum“, referiert sich der Mann vorn in Rage.
Im Auditorium mümmelt ein Flaumbart konzentriert an seinem Federhalter. „Wer weiß hier was über den absoluten Raum?“ will Thomas inquisitorisch wissen. Ein Lehrer in Zivil, mit gnadenlos verwittertem Jungengesicht, starrt verschüchtert auf seine Fingernägel. Der ergraute Fachmann mag sich jetzt so in der Defensive fühlen wie Papst Gregor XVI., der schon 1852 gezwungen war, die spektakuläre Lehre von der Erddrehung anzuerkennen.
Tatsächlich zeigt sich heutzutage der praktische Beweis schon nach einer halben Stunde Hin-und her-Gehangel. „Die Abweichung ist signifikant“, stellen die Freunde der Experimentalphysik nach einer Tour durchs Treppenhaus im Keller fest. Was zu beweisen war. Thomas Meiser
Kontakt: Rudolf-Römer-Sternwarte, Tel. 02065-75 012
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