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Elke Heidenreich jetzt onlineFreiheit fürs F-Wort

Elke Heidenreich wechselt vom ZDF ins Internet. "Lesen!" soll online gemütlicher werden - und noch authentischer. Der Rahmen: Ihre Kölner Stammkneipe Backes.

"Ich google alles, was ich brauche": Frau Heidenreich im Internet. Bild: ap

Elke Heidenreich wechselt nicht den Sender, sondern das Medium. Auf dem Literaturportal www.litcolony.de führt sie seit Freitag Morgen ihre Literatursendung "Lesen!" weiter - "und das nicht zu einem ungünstigen Sendeplatz im ZDF, wo uns niemand findet, sondern rund um die Uhr, wann immer Sie wollen!", betont die 65-Jährige.

Mehr als fünf Jahre lang hatte Heidenreich sechsmal pro Jahr im ZDF ihrem treuen Publikum Bücher empfohlen - bis das ZDF "Lesen!" wegen ihrer leidenschaftlich-kritischen Äußerungen zum Kultur- und Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen kurzerhand absetzte.

Bei litcolony.de sendet Heidenreich jetzt sogar jeden Monat - und zwar im heimeligem Rahmen ihrer Kölner Stammkneipe Backes. "Da kann ich während der Sendung ein Bier trinken oder - wenn es ein Zitat erfordert - auch mal sagen: ,Fick dich ins Knie!'", nennt sie pointiert einen der Vorteile, die nicht nur sie als Macherin davon hat. Denn Interessierte sind durch die Internetnutzung nun nicht mehr an ungünstige Sendezeiten gebunden. Auch wenn Heidenreich durch die Anbindung des Portals an die Internetpräsenz des Literaturfestivals Litcologne und durch Kooperationen mit dem WDR und dem Stern sicher ein Vielfaches an Zuschauern hinzugewinnen wird, sieht die "ältere Dame" (Heidenreich über Heidenreich), die gelernt hat, mit den neuen Medien umzugehen - "Ich google alles, was ich brauche!" - die Gefahr, diejenigen zu verlieren, die "Angst vorm Internet haben".

Immerhin eine halbe Million Euro Startkapital haben die Initiatoren in das neue Literaturportal investiert. Das sieht man seiner professionellen Aufmachung auch an. www.litcolony.de will geordnet, strukturiert und unterhaltend einen umfassenden Überblick über den aktuellen Literaturmarkt geben. Eine Marktlücke, die bislang niemand bedient. Das passiert etwa über Gastbeiträge von Autoren, Videokolumnen und Audiopodcasts. Auch wenn die Macher bei der Pressekonferenz die Unabhängigkeit durch Werbefreiheit explizit betonen, liebäugeln sie natürlich langfristig mit einer Finanzierung über Anzeigen. Schon jetzt arbeiten sie mit Verlagen zusammen. Die Bücher, die das Portal empfiehlt, können (über eine Kooperation mit dem Grossisten Libris) auch online bestellt werden. Trotzdem will sich Elke Heidenreich ans Motto "Support your local dealer" halten. Sie empfiehlt ihren Zuschauern, ihr Lieblingsbuch weiterhin im Buchladen um die Ecke zu kaufen.

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6 Kommentare

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  • J
    Janko

    Naja, alle ihre lesen-Sendungen waren online (so auch die letzte im ZDF), von daher ist das, was so innovativ daherkommt, eigentlich mehr Ausdruck der Verbitterung und ... offenbar ... eines gewissen Altersstarrsinns. Soo unmodern und mittelalterlich ist das Zdf auch nicht und man muss ja nun auch mal sagen, dass das Zdf so schlecht mit Frau Heidenreich auch nicht umgegangen ist (sie hatte immerhin alle Rechte an den Sendungen). Und ehrenamtlich wird sie das ganze ja auch nicht gemacht haben, und ich find's eher peinlich, wie sie aufgetreten ist mit ihrer Kritik. Das ist jawohl gehörig nach hinten losgegangen und hat der Sache nicht gedient.

  • A
    astronella

    Wundervoll! So wird aus einer zdf-Zitrone eine köstliche Limonade! Sehr gelungener Internetauftritt, ich freue mich auf weiteres ...

  • MR
    Martin Riemer

    Wow, dreimal litcolony verlinkt.

  • BL
    Bernd L. Nepomuck

    Habe mir die Sendung von Elke Heidenreich angeschaut und bin keineswegs überrascht eine bessere, weil offenere vorzufinden als die Öffentlich Rechtlichen dies erlauben würden. Schaue sowieso fast nur noch im Internet fern. Das was uns im Fernsehen, mit Ausnahme von Arte, 3Sat und verschiedener dritter Programme, bei letzteren nur zeitweise, vorgesetzt wird ist gruselig beschämend weil von niedrigem Niveau. Brot und Spiele hätte man im alten Rom dazu gesagt. Dabei hat das Fernsehen doch einen Bildungsauftrag.

    Bernd L. Nepomuck

  • V
    vic

    Naja, jüngere Generationen liegen ja zum großen Teil außerhalb der Zielgruppe. Ältere wird sie damit wohl ein paar verlieren. Ich bin beruflich mit Pc großgeworden und benutze den meinen zum Lesen von Presse-Online. Wenn man sich Zeitungsabos leisten kann geht´s aber auch ohne Pc. Egal, dieser Trend wird sich natürlich durchsetzen

  • T
    Tanuki

    Elke Heidenreich hat sich in der FAZ aus dem Fenster gelehnt für den ach-so-heldenhaften Herrn Reich-Ranicki. Er hat es ihr mit chauvinistischen und verachtenden Kommentaren gedankt. Und niemand sagt irgendetwas dazu.