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Eklat bei europäischem LiteratentreffenV. S. Naipaul zu unislamisch für Istanbul

Nach Schmähungen eines islamischen Dichters bleibt der Ehrengast und Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul dem "Europäischen Schriftsteller Parlament" fern.

V.S. Naipaul nach der Verleihung des Literatur-Nobelpreises im Jahr 2001. Bild: dpa

Eigentlich sollte es das größte europäische Literaturereignis des Jahres werden. Im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 wollte Istanbul für drei Tage zum "Europäischen Schriftsteller Parlament" die wichtigsten Autoren, Verleger und Kritiker des Kontinents versammeln. Hier, an der Schnittstelle zwischen abendländischer und orientalischer Kultur, sollte über die Zukunft der Literatur diskutiert werden.

Diskutiert wird nun auch auf dem Treffen, das am Donnerstag begann. Allerdings weniger über Kultur als vielmehr über die nicht vorhandene Toleranz in der Kulturmetropole. Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul hatte die Eröffnungsrede halten sollen, doch er erschien nicht.

Er hatte den Veranstaltern mitgeteilt, dass er seine Reise an den Bosporus nicht antrete, weil er angesichts der Debatte in der Stadt keinen Sinn mehr darin sehe. Begonnen hatte der Ärger vor einer Woche, als der bekannte islamische Dichter und Schriftsteller Hilmi Yavuz in der regierungsnahen Tageszeitung Zaman einen Schmähartikel gegen Naipaul veröffentlichte, in dem er den Veranstaltern vorwarf, als Ehrengast der Literaturveranstaltung ausgerechnet einen Mann eingeladen zu haben, der sich in der Vergangenheit als Beleidiger des Islam hervorgetan habe.

Naipaul habe behauptet, der Islam habe auf Menschen, die zum muslimischen Glauben konvertiert seien, einen katastrophalen Einfluss, da diese Leute ihre frühere Identität zerstören müssten. Naipauls Buch "Unter Gläubigen" aus dem Jahr 1981 sei eine einzige Beleidigung des Islam. "Wollen Sie mit so jemandem zusammen auf dem Podium sitzen", fragte Yavuz seine türkischen Kollegen und bekam breite Unterstützung aus der islamischen Ecke.

Wenn auch einige säkulare Intellektuelle wie der Verleger Ragip Zarakolu dagegenhielten, der Aufruhr war nicht mehr zu stoppen. Angeblich, so die linksliberale Zeitung Radikal, hatten die Veranstalter sogar erwogen, den Kongress abzusagen, bevor Naipaul ihnen den Gefallen tat, auf sein Erscheinen zu verzichten.

Ein ähnlicher Eklat hatte sich bereits im Oktober abgespielt, als der berühmte Filmemacher Emir Kusturica als Mitglied der Jury des Internationalen Filmfestivals in Antalya praktisch aus dem Land vertrieben wurde, weil ihm vorgeworfen worden war, er habe im Jugoslawienkrieg "gegen die Muslime" Stellung bezogen. "Wenn das so weitergeht", sorgt sich Ragip Zarakolu, "können wir bald außerhalb der islamischen Welt niemanden mehr einladen."

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10 Kommentare

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  • P
    pathan

    Nobelpreis hin oder her, dass der oft "falsch" vergeben wird, ist allen bekannt( siehe Friedensnobelpreise ).

    Fakt ist jedoch, dass Naipaul ein hinduistischer Nationalist ist, und zwar von der extremen Sorte-Über diese wird aber so gut wie nie in westlichen Medien berichtet. Allein sein Buch "Eine islamische Reise" macht diese Standpunkte ganz klar. Es gibt genug Menschen, die diesen Preis verdient haben. Stattdessen bekommt ihn ein selbstverliebter, nationalistischer Mann, der nicht weiter als über seine eigene Hindu-Kultur hinaussehen kann. Eine Schande.

  • M
    mensch

    eine sehr gute aktion, wie ich finde! so ein hetzer und menschenfeind hat dort nichts zu suchen. daran ändert auch nichts sein lit.nobelpreis. er hat eins nicht begriffen. respekt und achtung vor anderen zu haben. er bezeichnet muslime als ungeziefer..mehr muss ich dazu nicht sagen.

     

    außerdem argumentiert er, wie oben erwähnt, neokolonial...sowas kommt im Westen natürlich blendend an..einfach lächerlich, so jmd überhaupt einzuladen! man kann kontrovers diskuttieren aber nicht, wenn der gegenüber ein hetzer ist..wie im falle des hinduistischen naipaul...

     

    eine marionette

     

     

    ps: es waren keine zweitklassigen lit. die sich gegen ihn gewandt haben..man erwarte doch eine etwas ausgewogener recherche bevor man so einen artikel schreibt :) setzen, 6

  • S
    Sturm

    Naipaul ist kontrovers, und nicht gerade links. Seine Unterstuetzung von Hindunationalisten in Indien hat ihm bei Muslimen nicht unbedingt populaerer gemacht. Auch wurde ihm z.B. von Edward Said vorgeworfen, neokoloniale Politik zu verteidigen.

     

    Wie das jetzt im Detail aussieht, weiss ich nicht. Hier haette ich von der TAZ eine differenziertere Recherche erwartet.

     

    Es ist eben die Frage, auf welcher Ebene und auf welchem Niveau wurde Naipaul angegriffen? Muslime haben durchaus das Recht, fuer ihre Interessen Wort zu ergreifen, und das Naipaul in einem mehrheitlich muslimischen Land nicht mit Hurrah-Rufen empfangen wird, wundert mich nicht. Rufmord und Hetze sind dagegen unakzeptabel.

  • C
    citizen

    Warum wird eigentlich so wenig über die massive Kritik berichtet, die in der Türkei an der Regierung Erdogans, und der damit seit Jahren verbundenen Pseudo-Islamisierung stattfindet? Stattdessen übt sich der Westen darin, die AKP sogar als reformfreundlich und modern darzustellen, trotz Kopftuchflut und mehr Minaretten als Schulen im Land. Die Mehrheit der Türken ist sehr besorgt über diese Entwicklungen."Wir sind kein Iran und wollen es auch nicht werden" - über diese breite Front von aufgeklärten, klugen Demokraten hören wir hier rein gar nichts. Stattdessen wird mantra-artig wiederholt die Türkei sei muslimisch und uns eben so fremd. Bis es wohl nach dem Self-fulfilling Prinzip bald so weit sein wird. Aber noch ist die Türkei laizistisch und die anders denkenden Türken gibt es zuhauf. Nur hört und sieht sie in Deutschland keiner.

  • T
    Thorian

    "Naipaul habe behauptet, der Islam habe auf Menschen, die zum muslimischen Glauben konvertiert seien, einen katastrophalen Einfluss, da diese Leute ihre frühere Identität zerstören müssten."

     

    Lenin: „In Bezug auf die zurückgebliebenen Staaten und Nationen, in denen feudale oder patriarchalisch-bäuerliche Verhältnisse überwiegen, muß man insbesondere im Auge behalten … die Notwendigkeit, die Geistlichkeit und sonstige reaktionäre und mittelalterliche Elemente zu bekämpfen, die in den zurückgebliebenen Ländern Einfluß haben; …. die Notwendigkeit, den Panislamismus* und ähnliche Strömungen zu bekämpfen, die die Befreiungsbewegungen gegen den europäischen und amerikanischen Imperialismus mit einer Stärkung der Positionen der Khane, der Gutsbesitzer, der Mullahs usw. verknüpfen wollen.“ (Lenin Werke Band 32,S.137).*Das Ziel des Panislamismus ist die Einheit aller Muslime in einem islamischen Staat oder Kalifat (Gottesstaat).

     

    Karl Marx: „Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist „harby”, d. h. der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen. In diesem Sinne waren die Seeräuberschiffe der Berberstaaten die heilige Flotte des Islam.” (Marx-Engels-Werke, Band 10, S. 170).

     

    Marx und Lenin ging es stets darum, gesellschaftliche Strukturen zu zertrümmern, um ihre eigene Mordideologie durchzusetzen. Sie sahen im Islam in erster Linie eine Religion und damit ein Opium fürs Volk. Dass der Islam aber genauso totalitär wie der Kommunismus ist, dass er genau wie der Kommunismus nie in der Lage war, grundlegende Bedürfnisse zu erfüllen, dass islamische Länder genauso wie früher kommunistische Länder die rückständigsten und ärmsten Länder der Welt sind, konnten damals weder Marx noch Lenin wissen. Sonst wären sie beide dem Islam wesentlich offener gegenüber gestanden.

  • S
    sdfca

    tjo

     

    und erdogan hat israel gestern unverhohlen mit krieg gedroht...

  • G
    Gauss

    Ich bin kein Historiker!

    Wenn ich im Geschichtsunterricht aufgepasst habe, waren uns die Kulturen im Orient im Mittelalter bezogen auf die Naturwissenschaften (Medizin, Ingenieurwissenschaften z.B. Bauwesen, Architektur , Geisteswissenschaften, u.s.w.) haushoch überlegen! Es hat also schon seit dem frühen Mittelalter bzw. schon viel früher einen interlektuellen Austausch gegeben.

  • I
    Interpretator

    Nun müssen sich die Schriftsteller, die an diesem Kongress teilnehmen, fragen lassen, warum sie das eigentlich noch tun. Die einzige würdige Reaktion wäre Solidarität mit V.S. Naipaul.

  • L
    Leila

    "Wenn das so weitergeht", sorgt sich Ragip Zarakolu, "können wir bald außerhalb der islamischen Welt niemanden mehr einladen."

     

    Warum wundert mich das nicht?

  • H
    hessebub

    Könnte man diesen weinerlichen islamischen Sensibelchen wie auch ihren christlichen Artgenossen ("ich fühle mich durch schwule Nachbarn in der Ausübung meines Glaubens eingeschränkt" - würg!) mal ein paar freundliche Backpfeifen mit der Déclaration des Droits de L'Homme verpassen? Hallo, aufwachen, wir sind nicht mehr im 17. Jahrhundert.