berliner szenen: Eisbaden am Plötzensee
Draußen sein! Die Parks sind voll und die Frischluftaktivitäten von erstaunlicher Vielfalt. Letztens hat mich E. gefragt, ob ich mit ihr eisbaden gehe. Ich hab spontan zugesagt und hinterher Muffensausen bekommen. Was ist, wenn ich vor Schreck einen Herzinfarkt bekomme? Am nächsten Morgen stecke ich nur den Notfallausweis und meine Krankenkassenkarte ein. Das hab noch nie gemacht. Aber ich war ja auch noch nie eisbaden. Wir treffen uns mit N. am Plötzensee. Es ist ganz schön viel los. Eine Gruppe von etwa 20 Leuten mit Thermoskannen steht dick eingemummelt am Ufer. Wir schlagen uns seitwärts ins Gebüsch. N. war schon eisbaden und gibt uns wertvolle Tipps: Mit Wollmütze ins Wasser und die Hände nicht eintauchen. Ich halte es nur 10 oder 20 Sekunden aus, dafür zweimal hintereinander. Am schlimmsten sind die Füße. Neoprenschuhe müsste man jetzt haben, sind wir uns einig. Aus dem Augenwinkel sehe ich zwei Leute seelenruhig im Wasser stehen. Eine Frau schwimmt in den See hinaus, dann taucht sie auch noch unter und jubelnd wieder auf. Ich muss unwillkürlich mitjubeln. Als wir auf dem Rückweg bei E. noch einen Yogitee trinken, ruft ihr Freund vom Langlaufen in Moskau bei minus 22 Grad an. Später mach ich mit I. einen kleinen Gang durch den Volkspark, wo zwei junge Frauen zur Trommel einen Synchrontanz aufführen, vier ältere Herrschaften das Gleiche mit Säbeln versuchen und zwei Männer eine Angelausrüstung auspacken. Ob sie im Ententeich angeln wollen? I. erzählt mir von einer Begegnung beim Zigarettenholen an der Tanke. Eine Frau wollte für zwei Freunde einen Briefumschlag hinterlegen: Schnitzeljagd. Abends entdecke ich lauter blaue Flecken und kleine Schrunden an meinen Beinen. Das nächste Mal geh ich woanders ins Wasser.Dorothee D’Aprile
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen