Eis-Maximum am Südpol: Begeisterte Pinguine
In der Antarktis gibt es mehr Eis als vor 30 Jahren. Ist die Erderwärmung womöglich doch nicht so schlimm? Ein Experte äußert eine klare Meinung: „Unsinn!“
STOCKHOLM taz | „Eine Tracht Prügel“ hätten all diejenigen bezogen, die die Rekordschmelze des arktischen Eises in diesem Sommer als deutlichen Beweis für den fortschreitenden Klimawandel werteten.
Neue Untersuchungen aus der Antarktis hätten die „Klima-Alarmisten“ widerlegt, triumphierte ein Kolumnist des US-Wirtschaftsmagazins Forbes. Er verweist auf Messungen des US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC), wonach es zeitgleich mit der Eisschmelze im Norden am winterlichen Südpol ein Eis-Maximum gab.
Tatsächlich zeigten Satellitendaten der Nasa von Ende September eine Ausdehnung der Eisfläche in den antarktischen Gewässern, die mit 19,44 Millionen Quadratkilometern größer war als je zuvor seit Beginn dieser Messungen vor 33 Jahren. Die Eisfläche lag damit rund eine Million Quadratkilometer über dem Durchschnitt der Jahre 1979 bis 2000.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen US-Meeresforscher in einem Artikel in der Zeitschrift Oceanography. Sie verglichen die Ausdehnung des antarktischen Meereises in den letzten fünf Jahren mit dem Fünfjahreszeitraum von 1979 bis 1983.
Aller messbaren Erwärmung der Erdatmosphäre zum Trotz habe das Eis in der jüngsten Vergangenheit tatsächlich eine geringfügig größere Ausdehnung gehabt als drei Jahrzehnte zuvor. Die Forscher erklären dieses Phänomen mit der „einzigartigen Beschaffenheit der antarktischen Meereiszone“ und der noch kaum erforschten Wechselwirkung zwischen dem Eis, dem Ozean, der Atmosphäre und dem Ökosystem des Kontinents.
Änderungen in der Arktis früher sichtbar
Die Frage, ob es eine Art „Eisbalance“ gibt, bei der der Eisverlust am Nordpol von einem Zuwachs im Süden kompensiert wird, beantwortet NSIDC-Direktor Mark Serreze jedenfalls eindeutig: „Unsinn.“ So sei der Verlust im Norden viel größer als der Zuwachs im Süden. Überdies gingen alle gängigen Klimamodelle davon aus, dass die Änderung des globalen Klimas sich sich in der Arktis früher und intensiver zeige.
„Die physische Geografie der beiden Hemisphären ist sehr unterschiedlich“, so Serreze weiter. „Deshalb verhalten sie sich auch ganz unterschiedlich.“ Man könne grundsätzlich die Arktis – ein von Land umgebenes flaches Ozeanbassin, in dem sich eine Erwärmung des Meerwassers unmittelbar auswirkt – nicht mit der Antarktis vergleichen.
Auf dem dick vereisten und von offenen Ozeanen umgebenen Kontinent hänge die Eismenge viel stärker von Winden und Meeresströmungen ab als von Temperaturveränderungen. Die neuesten Antarktis-Zahlen schätzt er daher auch als „nicht überraschend“ ein.
Die Ausdehnung des Meereises in der Antarktis schwankt stark in Abhängigkeit von den Jahreszeiten. Im dortigen Sommer schrumpft die Eismasse vom winterlichen Maximum – rund 19 Millionen Quadratkilometer – um auf nur mehr drei bis vier Millionen Quadratkilometer zusammen.
Altes Eis verschwunden
Doch von einem Sommer zum nächsten sind die Unterschiede gering. Kein Vergleich mit den rapiden Änderungen beim arktischen Sommereis: Am Nordpol hat sich nicht nur die Ausdehnung des Meereises extrem vermindert, sondern auch seine Struktur hat sich verändert. Älteres, kompaktes und damit relativ beständiges Eis ist dort fast vollständig verschwunden.
Dass das Antarktiseis hingegen bislang noch weitgehend unbeeinflusst von der Meereserwärmung ist, führen Ozeanografen vor allem auf die verschiedenen Temperaturschichten in den südlichen Ozeanen zurück. An der Oberfläche schütze dort eine Schicht aus kaltem Wasser das Meereis.
Dieser Schutz aber drohe durch die fortschreitende Erwärmung zu verschwinden. Und wenn erst einmal die Schutzzone aus Meereis zu schmelzen beginne, könnte dies schnell auch die kontinentale Eisdecke der Antarktis destabilisieren.
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