Einsturz Kölner Stadtarchiv: Schlampereien bei der U-Bahn enthüllt
Probleme mit Grundwasser, die den Stadtarchiv-Einsturz mitverursacht haben, waren laut Protokoll seit Monaten bekannt. Bürgermeister Schramma soll nichts gewusst haben.
Vor dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen, gab es an der angrenzenden U-Bahn-Baustelle größere Probleme mit dem Grundwasser als bisher eingeräumt. Wie aus erst jetzt bekannt gewordenen Baustellenprotokollen hervorgeht, wurde bereits im September vergangenen Jahres dort ein "hydraulischer Grundbruch" festgestellt. Ein solches Ereignis gilt als mögliche Ursache für die Katastrophe vom 3. März.
Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) zeigte sich erschüttert. Die für den U-Bahn-Bau verantwortlichen Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) hätten ihm bisher immer den Eindruck vermittelt, es habe keine größeren Probleme mit der Baustelle gegeben. "Ich fühle mich von den KVB hintergangen", sagte Schramma am Wochenende. Das Unternehmen hätte ihn tagelang vor die Mikrofone treten lassen und offenbar gewusst, "dass da noch etwas ist". Ohne Rücksicht auf Personen und Parteizugehörigkeit werde er nun die Frage klären lassen, warum die KVB und das städtische Baudezernat ihn nicht über den Vorfall im September informiert hätten.
Schramma selbst will erst am Freitagmorgen von den brisanten Protokollen erfahren haben. Fakt ist, dass er zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Mitteilung von Kölns Wirtschaftsdezernenten Norbert Walter-Borjans (SPD) erhielt. Dieser hatte die Information von einem Mitarbeiter der Vermessungsabteilung bekommen. "Daraufhin habe ich den Koordinierungsstab einberufen", sagte Schramma.
Was Schramma arg in die Bedrängnis bringt: Parteifreunde von ihm waren Tage zuvor informiert gewesen. So wusste Baudezernent Bernd Streitberger (CDU) spätestens acht Tage zuvor von den explosiven Baustellenprotokollen, wie er einräumen musste. Über die Unterlagen, an die er auf einer "Arbeitsebene mit der KVB" gelangt sein soll, habe er umgehend den KVB-Vorstand informiert, darunter auch den für den U-Bahn-Bau zuständigen Technik-Vorstand Walter Reinarz. Der war bis März vergangenen Jahres noch Vorsitzender der Kölner CDU. Damit scheint der Fall für Streitberger erledigt gewesen zu sein. Weder informierte er den Krisenstab noch die Öffentlichkeit. "Wie das Unternehmen es mit der Öffentlichkeitsarbeit hält, ist primär seine Sache", rechtfertigte er sich gegenüber dem Kölner Express.
Die KVB haben inzwischen eingeräumt, dass in den Protokollen "von einem hydraulischen Grundbruch im September 2008 und von größeren eindringenden Wassermengen an den Fugen der Schlitzwände" die Rede ist. Das städtische Unternehmen wolle die Protokolle nun "erneut prüfen und die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen".
Wie es weiter in einer Erklärung des Unternehmens heißt, sei die KVB durch ein Schreiben der für den Bauabschnitt zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) Los Süd vom 9. September 2008 "im Rahmen einer Mehrkostenanmeldung" erstmalig über die gravierenden Grundwasserprobleme am Waidmarkt informiert worden. Die Arge, an der die Baufirmen Bilfinger Berger, Wayss & Freytag und Ed Züblin beteiligt sind, habe daraufhin mehrere zusätzliche Brunnen gebohrt, um den erheblichen Wasserzufluss in den Griff zu bekommen. Diese Vorgehensweise habe das Erdbaulaboratorium Essen in einem von der KVB eingeholten Gutachten befürwortet. Im Protokoll der Baubesprechung vom 26. Januar habe sich laut KVB die Feststellung gefunden, dass die "Arge erklärt: Das Grundwasser wurde erfolgreich abgesenkt." Das Grundwasser unterhalb der Braunkohleschicht sei "ausreichend entspannt". Ein schrecklicher Irrtum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“