■ Einige Mutmaßungen über Familiendramen in Getränkehersteller-Dynastien: But who is Booker Noe?
Dies ist der von Ästen und Zweigen gereinigte Stammbaum der Beam-Dynastie: Jacob Beam (1770–1834), Founder of Jim Bim Bourbon; David Beam (1802–1854), Son of Jacob Beam; David M. Beam (1833–1913), Son of David Beam; James B. Beam (1864–1947), Son of David M. Beam; T. Jeremiah Beam (1900–1977), Son of James B. Beam; Booker Noe (1929–Present), Grandson of James B. Beam; Booker Noe (1929–Present), Grandson of James B. Beam – „Six Generations of Distillers“, abgebildet auf den Etiketten der Jim- Beam-Flaschen. Als Erbe der zumeist recht bullerköpfigen und vierschrötigen Whiskey-Männer wahrt der jüngste Sproß zwar optisch Kontinuität, aber was ist aus dem guten Namen geworden? Who the fuck ist Booker Noe?
Das ist kein Jim Beam. Das ist Etikettenschwindel.
Und weshalb wird der Sohn von T. Jeremiah Beam kommentarlos unterschlagen und übergangen? Hat eine böse Fee dem Knaben in der Wiege heimlich das Gehirn von Petra Kelly, das Herz von Mutter Teresa und die Leber von Harald Juhnke eingepflanzt? Hat T. Jeremiah Beam jr. sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht an Booker Noe verscherbelt? Oder hat er aus Vatermordgelüsten heraus auf den ihm zustehenden Ehrenplatz in der Galerie verzichtet? Sollte er Schande über die Familie gebracht haben und zum Todfeind übergewechselt sein? „Mein Name ist T. Jeremiah Beam jr., und ich bin Alkoholiker...“
Man kann nur vage Vermutungen anstellen über das Familiendrama, das sich da Mitte des 20. Jahrhunderts in Kentucky abgespielt haben muß: Wie T. Jeremiah Beam, ein millionenschwerer, von Uhrketten und Hängebacken überwucherter Koloß, verbittert an seinem Mammutbaumschreibtisch sitzt, knisternd und knasternd eine stinkende Romeo y Julietta zum Glühen bringt und rabenschwarze Rauchwolken ausstößt, während T. Jeremiah Beam jr. vor ihm steht und stotternd zugibt, daß er nach seiner Entziehungskur eine Stelle als Kassenwart beim Fähnlein Fieselschweif anzutreten gedenke.
Wie in diesem schicksalschweren Augenblick T. Jeremiah Beams trinkfester Neffe Booker Noe hereingeschlingert kommt, einen Luftballon mit der Aufschrift „Bar“ in der Linken und ein Lied auf den Lippen: „I'm drunk right now, Baby, but I got tobi... and I never could tell you what you mean to me... I loved you the first time I saw you... and I always will love you, Jim Beam...“ Und wie T. Jeremiah Beam sr. plötzlich ein Seifensieder aufgeht, woraufhin eine gründliche Revision der Nachfolgeregelungspläne ins Werk gesetzt wird...
So könnte es gewesen sein. Zugute halten muß man den Beams, daß sie den Traditionsbruch nicht verhehlen, auch wenn wir nichts über dessen Ursache erfahren. Andere Getränkehersteller-Dynastien geben sich noch viel geheimniskrämerischer. Vergeblich sucht man auf den entsprechenden Flaschenetiketten nach den Ahnentafeln der Sinalco-Sippe, des Hauses Holsten, der Berentzen-Bagage, des Sternquell-Premium-Spezial- Stamms oder der Fanta-Familie.
Auch hier hilft nur kühnes, eigenhändig vorgenommenes Ausmalen weiter: Amadeus Willibald Fanta (1775–1826), Entdecker der Fanta-Quelle; Johannes Alexander Fanta der Ältere (1801–1865), Sohn von Amadeus Willibald Fanta; Johannes Alexander Fanta der Jüngere (1844–1916), Sohn von Johannes Alexander Fanta dem Älteren; Peter Fanta (1871–1966), Sohn von Johannes Alexander Fanta dem Jüngeren.
Und nun setzen die dynastischen Verwirrspiele, Verfallserscheinungen und Kapriolen ein, und zwar mit der Inthronisierung von Adolf Emil Siegfried Fanta, genannt „Siggi“ (1933–1970), Urururgroßneffe von Johannes Alexander Fanta dem Älteren. Adolf Emil Siegfried Fantas schweres Amt übernimmt schließlich, nach einer üblen und turbulenten Phase des Komplottschmiedens und Cocktailkirschenvergiftens, die intrigante Erbschleicherin Irmela- Petra Fanta-Klotz (1949–Gegenwart), Großnichte von Peter Fanta. Auf seine Einwechslung wartet z.Zt. im Hintergrund Kevin Schmischke (1988–Zukunft), untergeschobener Enkelsohn des Schwippschwagers der Halbschwester von Adolf Emil Siegfried Fantas heimlicher Bettwurst Burkhard Bumm.
Was ist Wahrheit, was Legende, was Gerücht? Man weiß es nicht. Man weiß insgesamt recht wenig. Die Familie Fanta sollte dem Beam-Beispiel folgen und sich im Flaschenetiketten-Glasnost-Zeitalter mutig zur Existenz schwarzer, aus der Art geschlagener Schafe im Stammbaum bekennen. Fanta gesoffen wird so oder so bis in alle Ewigkeit.
Gerne wüßte man nun ja auch mehr über den Niedergang des Geschlechtes derer von Bluna, einer einstmals mächtigen Limonadenherstellerfamilie. Und wie hat es eigentlich der mittellose, häßliche und unbedarfte Fritz River geschafft, in die renommierte Familie Cola einzuheiraten? Und dann die Söhnlein-Brillant-Familie – wieviele Töchterleinleichen hat sie im Sektkeller?
Ungeschrieben ist bis auf weiteres auch die Geschichte des Emporkömmlings Otto Diät (1943–Gegenwart), der nach der Hochzeit mit Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Pepsi (* 1955), Tochter von Kapitän Efraim Pepsi, früher Schrecken der Meere, jetzt Negerkönig unter dem Doppelnamen Diät-Pepsi, einen florierenden Konkurrenzbetrieb eröffnete. In völliger Dunkelheit liegt nicht zuletzt die Vergangenheit der Salatöl-Dynastie Livio. Wer sind die Livios? Woher kommen sie, wo sind sie, wo gehen sie hin?
Dahin, wo es wirklich interessant ist? Nach Hause?
Also gut. Wenn das so ist, mache ich das jetzt auch. Gerhard Henschel
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