Einheitsfeier: Sinnlose innerlinke Differenzen

Die Hingabe, mit der innerlinke Differenzen kultiviert werden, ist sinnlos. So bleibt die Kritik in genau jener Defensive, in der ihre Gegner sie am liebsten sehen.

Es soll alles beschwingt zugehen und locker, irgendwie wie beim Kirchentag oder beim Public Viewing. Wenn es nach den Ausrichtern der zentralen Einheitsfeier geht, dann soll der 3. Oktober kein Tag sein, der Angst macht vor einem neuen Großdeutschland.

In den frühen 90er Jahren, die gekennzeichnet waren von den Pogromen in Mölln oder Lichtenhagen, fürchteten viele genau dies: Ein Deutschland, das sich nicht mehr als die "bessere Alternative" beweisen musste, in dem sich neuer Nationalismus ungezügelt breit machen werde. Entsprechend fiel damals die Reaktion auf die Einheitsfeier aus.

Der Zeitgeist ist heute ein anderer, doch noch immer ist die vermeintlich unverkrampfte Inszenierung der nationalen Einheit vielen ein Anlass zu Skepsis und Kritik. Denn tatsächlich haben die zwei Jahrzehnte auch vieles von dem gebracht, was Kritiker damals kommen sahen: Sozialabbau durch Hartz IV oder die Beteiligung an Angriffskriegen.

Kritik an diesen Dingen zu üben ist prinzipiell eine durchaus mehrheitsfähige Angelegenheit. Menschen zu erklären, warum das Deutschland, das sie feiern werden, eben auch diese Seiten hat, ein sinnvolles Unterfangen. Die Hingabe, mit der innerlinke Differenzen kultiviert werden, ist es hingegen nicht. Sie hat nur ein Ergebnis: Die Kritik bleibt in genau jener Defensive, in der ihre Gegner sie am liebsten sehen.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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