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Einführung von MindestlöhnenMehr Geld für Pfleger und Wächter

Für sechs weitere Branchen hat der Bundestag die Einführung von Mindestlöhnen beschlossen. Über die genaue Lohnuntergrenze für PflegerInnen wird nun verhandelt.

Auch in den Sicherheitsdiensten sollen Mindestlöhne eingeführt werden. Bild: ap

Die Entscheidung ist gefallen, aber was sie konkret für die ArbeitnehmerInnen bedeutet, muss sich noch zeigen: Der Bundestag hat am Donnerstag nach kontroverser Debatte die Einführung von Mindestlöhnen in sechs weiteren Branchen beschlossen.

Für die soziale Marktwirtschaft seien Mindestlöhne "unverzichtbar", erklärte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und verkündete: "Anstrengung muss sich lohnen und auszahlen." Die Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz sollen in der Pflegebranche, den Sicherheitsdiensten, dem Bergbau, in der Wäschereibranche, in der Abfallwirtschaft und in der Weiterbildungsbranche kommen.

Damit sind rund eine Million Beschäftigte betroffen. Die Regelung für die Weiterbildungsbranche berührt aber nur etwa 23.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Ein tariflicher Mindestlohn gilt nicht für die Bezahlung von hunderttausenden von Honorarkräften. Die Mindestlöhne orientieren sich an den untersten Tariflöhnen. Diese liegen etwa beim Wachschutz bei 6,80 Euro und in der Weiterbildung je nach Tätigkeit bei mindestens 10,71 Euro.

Die Lohnuntergrenze in der Pflege ist noch offen. Die Regierungskoalition will eine achtköpfige Kommission einsetzen, die über die Lohnuntergrenze in der Pflege verhandelt. Darin sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter der Kirchen sitzen. Diese Beteiligung der Kirchen war wichtig, um deren bislang eigene Lohnfindung nicht auszuhebeln.

"Wir streben in der Pflege eine Lohnuntergrenze von 9,80 Euro an", sagte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk. Dieser Bruttolohn gelte bereits für Altenpflegehelferinnen, die etwa in Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes und der AWO arbeiteten, erläuterte Ver.di-Tarifexperte Jürgen Wörner. Allerdings zahlen viele Heime oder Sozialstationen ihren PflegehelferInnen einen niedrigeren Stundensatz. Kommt ein Mindestlohn von neun Euro, müsste dieser branchenweit gezahlt werden. Die Einhaltung des Mindestlohngebots könnte dann vom Zoll kontrolliert werden, sagte Wörner.

Wird die Pflege teurer, stellt sich die Frage der Refinanzierung durch die Pflegekassen. Pflegekassen wie auch Krankenkassen leisteten "keine ausreichende Finanzierung zur Entlohnung des Personals", hatte Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik schon im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag gerügt.

Am Donnerstag wurde auch das sogenannte Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz verabschiedet. Danach kann auch in Branchen, in denen die Tarifbindung weniger als 50 Prozent der Beschäftigten erfasst, künftig unter Beteiligung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen ein Mindestlohn vereinbart werden. In der Zeitarbeitsbranche fehlt noch eine Regelung zur Lohnuntergrenze. Hier strebt die Regierung eine Regelung nach dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz an, die Tariflöhne von 6,50 Euro erlauben würde.

Bislang gilt für 1,8 Millionen Beschäftigte, darunter der Bau, eine Mindestlohnregelung. Die am Donnerstag verabschiedeten Gesetze müssen noch durch den Bundesrat.

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7 Kommentare

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  • E
    epunion.de

    @stefan

    Für die Leiharbeit wurde kein Mindestlohn verabschiedet. Die Leiharbeit wird als eigene Branche definiert - unabhängig von der Tätigkeit, deswegen wird es weiterhin möglich sein, durch Einsatz von Leiharbeitnehmern, den Mindestlohn für den Pflegebereich zu umgehen.

  • S
    stefan

    Gilt der Mindestlohn für Pflegehelferinnen denn auch für Leih- bzw. Zeitarbeiter? Die großen Verbände unterhalten meist eigene Leiharbeitsfirmen, in denen deutlich niedrigere Löhne (ungefähr 7 Euro) gezahlt werden. Weiss da jemand mehr?

  • E
    epunion.de

    @stefan

    Für die Leiharbeit wurde kein Mindestlohn verabschiedet. Die Leiharbeit wird als eigene Branche definiert - unabhängig von der Tätigkeit, deswegen wird es weiterhin möglich sein, durch Einsatz von Leiharbeitnehmern, den Mindestlohn für den Pflegebereich zu umgehen.

  • S
    stefan

    Gilt der Mindestlohn für Pflegehelferinnen denn auch für Leih- bzw. Zeitarbeiter? Die großen Verbände unterhalten meist eigene Leiharbeitsfirmen, in denen deutlich niedrigere Löhne (ungefähr 7 Euro) gezahlt werden. Weiss da jemand mehr?

  • MF
    Manfred Funk

    Mindestlöhne in der Pflege längst überfällig!

     

    Anlässlich des Fachforums - Pflegepraxis und Wissenschaft- fand der Gerontologe und Geschäftsführer des bundesweit tätigen Pflegedienstes HUMANIS, Adriano Pierobon, deutliche Worte zur aktuellen Situation: der Markt zerfalle immer mehr in zwei Segmente, so Pierobon: einerseits werden an Pflegedienste, die Vergütungsverträge mit den Kassen schließen, immer höhere Anforderungen gestellt, so z.B. bezüglich der regelmäßigen Mitarbeiterfortbildung, der Umsetzung von Expertenstandards und umfangreiche Dokumentationspflichten.

    Demgegenüber habe sich in den letzten Jahren ein völlig deregulierter Sektor entwickelt, in dem Qualität keine Rolle spiele- im Vordergrund stünden hier Dumpingpreise und Hungerlöhne. Es ist schon bedenklich, daß die meisten Vermittlungsargenturen für osteuropäische Pflegekräfte, ihre Preise nicht nach der fachlichen Qualifikation, sondern nach den Deutschkenntnissen der eingesetzten Kräfte festsetzen, so Pierobon. Angesichts des demoraphischen Trends stehe unsere Gesellschaft an einem Scheideweg:qualitativ gute und fachlich fundierte Pflege könne nicht von Kräften geleistet werden, die Pflegetätigkeit als Alternative zum Spargelstechen sehen. Man müsse sich darüber im klaren sein, daß engagierte und qualifizierte Pflegekräfte nur dann in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen werden, wenn das hemmungslose Lohn-und Preisdumping beendet werde. Ein erster Schritt hierzu könne die festlegung von Mindestlöhnen, geregelt durch das Entsendegesetz, sein. Hierdurch, so Pierobon, würden nicht nur die Arbeitnehmer vor sittenwidrigen Hungerlöhnen geschützt, sondern auch diejenigen Unternehmen, die einen hohen Kostenaufwand betreiben um ihren Kunden eine qualitativ gute Pflege und ihren Mitarbeitern eine ordentliche Vergütung bieten. Wenn es nicht gelänge, die Pflegeberufe auch für junge Menschen wieder attraktiv zu machen, werde sich bereits in wenigen Jahren eine Versorgungskatastrophe anbahnen.

  • E
    epunion.de

    @stefan

    Für die Leiharbeit wurde kein Mindestlohn verabschiedet. Die Leiharbeit wird als eigene Branche definiert - unabhängig von der Tätigkeit, deswegen wird es weiterhin möglich sein, durch Einsatz von Leiharbeitnehmern, den Mindestlohn für den Pflegebereich zu umgehen.

  • S
    stefan

    Gilt der Mindestlohn für Pflegehelferinnen denn auch für Leih- bzw. Zeitarbeiter? Die großen Verbände unterhalten meist eigene Leiharbeitsfirmen, in denen deutlich niedrigere Löhne (ungefähr 7 Euro) gezahlt werden. Weiss da jemand mehr?