: Einer der „Mykonos“-Zeugen muß lügen
■ Unklarheit im Untersuchungsausschuß über mangelnden Schutz für Opfer
Wer trägt die Verantwortung dafür, daß der damalige Vorsitzende der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran, Sadegh Charafkandi, und seine Begleiter während der Tagung der Sozialistischen Internationale (SI) im September 1992 nicht durch die Polizei geschützt wurden? Seit seiner gestrigen Sitzung kann der „Mykonos“-Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses zwischen zwei Antworten auf diese Frage wählen. Denn vor dem Gremium erklärte der für die Sicherheitsmaßnahmen während der SI-Tagung zuständige Mitarbeiter des Staatsschutzes, Rolf Merrettig, daß ihm von den Organisatoren keine Teilnehmerliste angeboten wurde. Erst nachdem Charafkandi und drei weitere iranische Oppositionspolitiker am 17. September im Restaurant „Mykonos“ erschossen worden waren, will die Polizei von dessen Teilnahme an der Tagung der SI erfahren haben. Merrettig widersprach damit einer Erklärung des für die Sicherheit der Tagung zuständigen Mitarbeiters der SPD, Reinhard Pauk. Pauk hatte im Dezember vor dem Untersuchungsausschuß ausgeführt, er habe Merrettig am 9. September im Rahmen einer Vorbereitungssitzung eine Teilnehmerliste überreichen wollen, auf der Charafkandi vermerkt gewesen sei. Der Staatsschutzbeamte habe jedoch „abgewunken“. „Mir ist keine Liste angeboten worden“, beharrte demgegenüber Merrettig gestern. Drei weitere Polizeibeamte, die ebenfalls an der Vorbereitungsrunde teilgenommen haben, konnten sich an das Listenangebot ebenfalls nicht erinnern. Polizeihauptkommissar Winfried Berndt, der seinerzeit für die Außensicherung zuständig war, wußte hingegen von einer Teilnehmerliste zu berichten, die ihm zu Beginn der Sitzung überreicht wurde und die unvollständig und anscheinend älteren Datums war. Warum, so fragte sich der Beamte, sollte ich vom Veranstalter eine solch alte Liste erhalten, wenn er zugleich eine aktuellere hatte? Am kommenden Montag vernimmt der Ausschuß den Staatsminister Bernd Schmidbauer. Dr
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