: Eine „turnusmäßige Gebührenanpassung“
■ Oder: Wie der Senat gleichzeitig sich selbst und den Obdachlosen in die Tasche packt
Die Vorstellung darf als gelungen bezeichnet werden. Ein Salto asoziale mit finanzpolitischer Selbstüberlistung, zum Stehen gebracht in dieser Woche vom Hamburger Senat.
Unter der auf Anhieb einleuchtenden Überschrift „Staatliche Dienstleistungen sind nicht kostenlos“ teilte der Senat seinem Volk am Dienstag eine Reihe von Gebührenerhöhungen mit. Friedhof teurer, Planetarium teurer, Kirchenaustritt kostet demnächst auch. Summasummarum 18,9 Millionen Mark Mehreinnahmen für die leere Stadtkasse, rechnet Finanzsenator Ortwin Runde schriftlich vor. Die Zeitungen von taz bis Bild berichten pflichtgemäß. Die Bürgerschaft schweigt ebenso pflichtgemäß, weil „Gebührenanpassungen“ nun mal Senatssache sind. Das Volk schluckt. Wird schließlich alles teurer. Weiter so Ortwin.
Oder besser doch nicht? Finden wir doch auf Seite zwei der Presseerklärung folgendes: „Anpassung der Gebühren für die öffentlich veranlaßte Unterbringung von Obdachlosen, Aussiedlern, Asylbewerbern und Flüchtlingen um bis zu 20 Prozent“. Dahinter verbirgt sich eine drastische Mieterhöhung für alle, die auf ein staatliches Dach über dem Kopf angewiesen sind.
So sollen Obdachlose, die vorübergehend in sogenannten „Familienunterkünften“ untergebracht sind, statt bisher 6,60 Mark ab 1995 7,80 Mark Miete pro Quadratmeter zahlen. Asylbewerber zahlen für ihr Plätzchen in einer Gemeinschaftsunterkunft statt 99 künftig 120 Mark, Aussiedler sind ab 1995 mit 135 Mark dabei, 18 Mark mehr als bisher. Satte Aufschläge, die dazu beitragen dürften, daß das am selben Tag vom Senat beschlossene „Rahmenkonzept zur Armutsbekämpfung“ nicht ins Leere läuft.
Aber das ist natürlich nicht die offizielle Begründung. Die besagt vielmehr, daß die staatliche Mieterhöhung von der Sozialbehörde nicht nur zwecks Ausgleich der Preissteigerung vorgeschlagen wurde. Sie sei auch erforderlich, „um den Abstand zum Niveau von Sozialmieten nicht noch größer werden zu lassen“. Die liegen zwar im Schnitt keinesfalls weit über 7,80 Mark, aber da ist ja noch was: „Insbesondere Aussiedler und Obdachlose“, meint die Sozialbehörde, bräuchten einen Anreiz, „sich aktiv um regulären Wohnraum zu bemühen“. Eine nette Aufforderung angesichts des Hamburger Sozial-Wohnungsmarkts, die wohl auch diese Vermutung nahelegen soll: es gibt einige Obdachlose in den staatlichen Unterkünften, die es sich dort wegen der günstigen Miete und ohne Not bequem machen. Mißbrauch von Sozialleistungen, nennt das die politische Konkurrenz. Aber das teilt der Senat offiziell nicht mit.
Folgt der finanzpolitisch aberwitzige Teil der „Gebührenanpassung“. Hurra, Hurra, schreibt der Finanzsenator, durch die höheren Gebühren in staatlichen Unterkünften nimmt die Stadt 4,4 Millionen Mark zusätzlich ein. Stimmt aber gar nicht, wie eine Nachfrage bei der Sozialbehörde ergibt.
Da „der Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den staatlich untergebrachten Personen mehr als 50 Prozent beträgt“, sagt Pressesprecherin Christina Baumeister, „werden den geschätzten Mehreinnahmen von 4,4 Millionen Mark gleichzeitig Mehrkosten bei der Sozialhilfe und beim Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 3,2 Millionen Mark gegenüberstehen“.
Bleiben noch 1,2 Millionen Mark, die vom Portemonnaie der Obdachlosen in Rundes Sparschwein wechseln, abzüglich der durch die Umstellung der Abrechnungen entstehenden Verwaltungskosten. Aber die teilt der Senat lieber auch nicht mit. Da capo! uex
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