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Eine antikommunistische Gründung

■ Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) in Frankfurt

Daß sich die in Frankfurt ansässige „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ seit Bestehen vorwiegend mit der UdSSR und anderen osteuropäischen Staaten beschäftigt hat, ist weitgehend bekannt und hat sie von Anfang an dem Verdacht ausgesetzt, auf dem rechten Auge blind zu sein. Daß die Organisation aber auf eine ausdrücklich antikommunistisch agierende Bewegung zurückzuführen ist, läßt ihre Aktivitäten vor diesem Hintergrund ausgesprochen interessant erscheinen. Denn die Geschichte der IGfM reicht bis in das Jahr 1930 zurück, als sich in Belgrad der Bund russischer Solidaristen in der „NTS“ (Nazionalno Trudowoj Sojus) eine Organisationsform gab und die Überwindung des Kommunismus in der UdSSR und anderen Ostblockstaaten zur heiligen Aufgabe erhob. Seine regelrechte Blütezeit erlebte der NTS im deutsch-russischen Krieg nach 1941, als er seine Propagandaarbeit unter der Protektion der Hitlerschen Wehrmacht voll entfalten konnte.

Im kalten Krieg etablierten sich die „Solidaristen“ dann mit der gleichen Zielsetzung und mit Billigung der Amerikaner in der Bundesrepublik, wo sie von ihrem Hauptsitz in Frankfurt aus weiterhin konspirativ tätig waren. 1972 gründete der NTS in Frankfurt die „Gesellschaft für Menschenrechte“, mit der sie in den ersten Jahren auch die Adresse teilte. Bis heute wird zum Beispiel noch die Zeitschrift 'Menschenrechte‘ der IGfM in der NTS-eigenen „Polyglott„-Druckerei hergestellt, und fast alle der 13 Gründungsmitglieder - das „I“ für International legte sich die Organisation erst 1982 mit der Gründung ausländischer Sektionen zu - sind gleichzeitig Angehörige des NTS oder stehen ihm nahe. Das gilt ebenso für den Generalsekretär der IGfM, Iwan Agrusow, wie für den Schatzmeister Leonid Müller, der von 1972 bis 1981 gleichzeitig die offizielle Kontaktadresse für den NTS abgab.

Im Umgang mit den von ihr „betreuten“ politischen Gefangenen war die Gesellschaft nie sehr zimperlich. Nach der Verbannung Sacharaows nach Gorki führte sie dessen Namen im Impressum der Zeitschrift 'Menschenrechte‘ als Ehrenpräsident der Organisation, bis sich Sacharaow in einem Schreiben energisch dagegen verwahrte. Und als die IGfM im August 1982 das deutsch-sowjetische Erdgas-Röhrengeschäft anprangerte und behauptete, an diesem Projekt seien Tausende von Strafgefangenen zwangsweise eingesetzt, belegte sie dies mit der namentlichen Nennung von fünf politischen Häftlingen. In allen fünf Fällen handelte es sich nachweislich um Falschinformationen, mit der die IGfM deren Situation aufs gröbste gefährdete. Mit der Aktion sollte das Röhrengeschäft torpediert werden, was allerdings nicht gelang. Erfolgreicher hatte sie 1980 zum Boykott der Olympischen Spiele in Moskau aufgerufen.

Durchgängig ist ihre Boykott-Politik zugunsten von Menschenrechten aber nicht. Im Oktober 1986 hieß es nämlich in einem IGfM-Appell an die Bundesregierung: „Weltweit geplante und praktizierte Boykottmaßnahmen gegen Südafrika sind kein geeignetes Mittel, den benachteiligten Völkern zu mehr Gerechtigkeit zu verhelfen. Boykottmaßnahmen ruinieren die Wirtschaft, verursachen Elend und verletzen die Menschenrechte.“

In einem offenen Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages warnte die Organisation vor einem Einsatz für den südafrikanischen politischen Gefangenen Nelson Mandela, weil dieser, einmal an der Macht, „vielleicht sogar die Ausbildungsbasen für die nächste Generation deutscher Terroristen zur Verfügung stellt“.

bg

Literatur: Arbeitskreis Nicragua (Hg.), „Propagandisten des Krieges, Hintermänner der Contra: IGfM“, Dokumentation, Frankfurt

Bezug über: Informationsbüro Nicaragua, Hofaue 18

5600 Wuppertal

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