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■ Eine Farce aus Polens „Police Academy“Auf der Suche nach Räubern

Warschau (taz) – Wlodzimierz G., seines Zeichens Polizist in der westlich von Warschau gelegenen Ortschaft Sochaczow, war auf der Suche nach Straßenräubern und Einbrechern, als er eine dunkle Limousine durch die Stadt rasen sah. Es war Abend, der Limousine, die bereits eine rote Ampel überfahren hatte, folgte mit Martinshorn und Blaulicht in einigem Abstand ein Polizeiwagen. Wlodzimierz G. reagierte, wie er es in den zahlreichen Krimiserien gesehen hatte, die Polens Fernsehen in letzter Zeit seinen Zuschauern zu nahezu jeder Tageszeit vorsetzt. Er hechtete vor den heranrasenden Wagen und ballerte eine Serie Warnschüsse in die Luft. Da geschah etwas, was ihm noch nie passiert war und – wenn es nach seinen Vorgesetzten geht – auch nie wieder passieren wird. Der Wagen hielt mit kreischenden Bremsen, und Wlodzimierz fielen die Kinnladen auf die Höhe seiner Dienstkrawatte: In der Limousine saß Polens Premierministerin Hanna Suchocka. Deren Chefleibwächter hingegen stieg aus und verhaftete den vermeintlichen Attentäter.

Im örtlichen Knast, den wiederzusehen Wlodzimierz sicher unter anderen Umständen geplant hatte, stellte sich heraus, daß der 24jährige vollkommen nüchtern war. Aber schließlich kann nahezu jeden ein solches Ereignis in kürzester Zeit ernüchtern. Wlodzimierz G. ist seither arbeitslos, ein Zustand, mit dem nicht nur er sich nicht abfinden mag.

Schließlich war die Pistole, mit der er Frau Suchocka zu Leibe gerückt war, gar nicht scharf gewesen – es war eine Gaspistole. Sowohl die Gazeta Wyborcza als auch die Polizistengewerkschaft haben den unglücklichen Polizisten nun in Schutz genommen. „Ein Polizist darf nicht einer Psychose unterliegen“, meint Polizeichef Smolarek hart. Dabei spielt auch keine Rolle, daß der Ex-Cop gerade erst einen Preis für beherztes Eingreifen bei einem Einbruch erhalten hatte. Für die Warschauer Zentrale war sein Eingreifen in diesem Fall einfach zu beherzt.

Glaubt man den Zeitungen, so liegt die Schuld indes eher bei Suchockas Leibwache, die die Limousine der Regierungschefin offenbar als Rambock gegen rote Ampel verwendete und die Premierministerin in einem nicht gekennzeichneten Wagen vorfahren ließ. Normalerweise hat logischerweise der Polizeiwagen mit Signalbeleuchtung vorzufahren, besonders wenn das Überfahren roter Ampeln und Geschwindigkeitsüberschreitungen in Ortschaften auf der Tagesordnung stehen. Ein Regierungsleibwächter, der vor zwei Jahren mit 150 km/h auf der Landstraße einen Unfall verursachte, den Polens Oberster Rechnungsprüfer nicht überlebte, mußte sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Allein nach der neuen Straßenverkehrsordnung drohen Suchockas Fahrer nun 16 Strafpunkte im polnischen Flensburg – aber eben nur theoretisch. Klaus Bachmann

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