■ Ein russischer Nationalist gewann die Wahl auf der Krim: Spiele mit dem Feuer
Nun hat auch die Autonome Republik der Krim im Staatsverband der Ukraine ihren eigenen Präsidenten. Er heißt Juri Mjeschkow, ist Russe, Jurist und könnte seinem Äußeren nach auch noch auf der Gehaltsliste des aufgelösten russischen Sicherheitsdienstes (des ehemaligen KGB) stehen. Knapp 73 Prozent der Stimmberechtigten votierten mit ihm für einen Politiker, der ihnen längerfristig die Anbindung an Rußland verspricht.
Das Ergebnis kommt nicht überraschend. Sechzig Prozent der Inselbevölkerung sind Russen – allerdings einer besonderen Spezies. Das Sonnenparadies dient den ausgemusterten Nomenklaturisten als Lebensmittelpunkt vor der letzten Ruhestätte. Es wäre alles nur eine amüsante Episode, würde die Krim nicht im Bewußtsein der Russen und Ukrainer eine so große Rolle spielen. Der ukrainische Präsident Krawtschuk wird sich schwertun, den Ausgang der Wahlen gegenüber seinen Nationalisten herunterzuspielen. Das derzeit wieder patriotelnde Moskau gerät ebenfalls in Kalamitäten, wollte es so tun, als hätte es von allem nichts gehört. Dies um so mehr, als Außenminister Kosyrew, einst einer der Champions der „Westler“, sein Herz für das Schicksal der Russen im „nahen Ausland“ entdeckt hat.
Schon der Konflikt um die Schwarzmeerflotte zeigte, wie wenig Kiew und Moskau an der Sache selbst gelegen war. Den eingeschnappten Großrussen geht es um die Hegemonie über die Kleinrussen (Ukrainer), die wiederum wollen nach dreihundert Jahren mal selbständig sein. Die Ukraine hatte den Konflikt vorausgesehen und frühzeitig reagiert. Sie sprach der Insel einen autonomen Status zu. Zwischenzeitlich schien der Konflikt zu erkalten. Den Wortführern der Russen reichte es. Nichts drängte sie nach dem demokratischen Rußland Jelzins. So erklärte sich die Souveränitätserklärung vom 4. September 1991 – unmittelbar nach dem Putsch in Moskau. Damals wollte man bei Kiew bleiben, wo die alten Kräfte bis heute das Sagen haben. Nun hat man sich's anders überlegt. Offiziell gelten jetzt wirtschaftliche Erwägungen. Die Russen „daheim“ leben im Vergleich zur Ukraine gut.
Mjeschkow verspricht seinen Insulanern demnächst ein Referendum und schielt nach Moskau, dessen Schwarzmeerflotte in Sewastopol vor Anker liegt... Der Konflikt ist vorprogrammiert, wenn sich Moskau nicht am Riemen reißt, um seine Landsleute zur Vernunft und zur Annahme eines variierten Status quo zu bewegen. Inklusive einem klaren Nein zu territorialen Veränderungen. Die instabilen Verhältnisse in Kiew können leicht explosiv werden. Demnächst stehen Wahlen an und „Verzichtspolitiker“ ziehen meist den kürzeren. In Moskau werden die Patrioten im Parlament natürlich krakeelen. Gerade dann muß der Kreml beweisen, wie ernst er seine demokratischen Verpflichtungen nimmt. Mit der Krim ist die Sache allein nicht getan. In der Ostukraine wohnen mehrheitlich auch Russen. Kiews Ängste vor einer territorialen Vollamputation sind verständlich und schwer kalkulierbar. Ob die Russen zu dieser Größe finden? Klaus-Helge Donath, Moskau
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