piwik no script img

Ein knallharter, neoliberaler Marktverehrer –betr.: „Den Markt mögen, aber nicht verehren“ (Das Portrait), taz vom 19. 1. 99

Hannes Kochs Charakterisierung des US-Ökonomen Paul Krugman kommt allzu standpunkt- und unkritisch-harmlos daher. Pop-Ökonom und FU-Ehrendoktor Krugman mag viele originelle Statements absondern – aus der Pespektive der Erwerbslosen ist er vor allem ein knallharter, neoliberaler Marktverehrer, gegen den die FDP wie eine Verteidigerin des Sozialstaats wirkt. Krugmans Rezept im Originalton: „Wir sollten zulassen, daß für jeden Lohn gearbeitet wird, der am Markt bezahlt wird.“ (FAZ-Magazin) Zu einem Lohn ohne Sozialabgaben, versteht sich. Insofern wäre auch der US-Mindeststundenlohn ein Hemmnis.

Krugman verlangt, die Ware Arbeitskraft dem Gesetz von Angebot und Nachfrage in gleicher Weise zu unterwerfen wie jede andere Ware auch. Und genausowenig, wie ein Kühlschrank von der KäuferIn verlangen kann, kranken- und rentenversichert zu werden, soll dies auch nicht die Arbeitskraft vom Kapitalisten verlangen können. Verdient dann einE Bad-JobberIn sozialversicherungsfreie zwei Dollar die Stunde, dann wird – analog dem Konzept der negativen Einkommensteuer – der Stundenlohn staatlicherseits auf ein niedriges Existenzminimum aufgestockt. Aber: „Subventioniert“ werden nur die „Haves“, also die, die einen Job haben. Wie ein jobloser Mensch sein Leben fristen soll, darüber schweigt sich Krugman aus. Diese Millionen von „Have-Not“ existieren überhaupt nicht im Krugman-Universum, sind letztlich Un-Menschen. Letzteres auszusprechen, ist heute noch political incorrect, allein: Indem Krugman sie durch Schweigen im Orkus verschwinden läßt, vernichtet er die unbezahlt Arbeitenden symbolisch; und das war schon immer der Einstieg in deren reale Vernichtung. Wolfgang Ratzel, AG Existenzsicherung, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen