■ Ein japanischer Erfinder entwickelt Überflüssiges: Akademie „Nichtwertloser Ideen“
Tokio (dpa) — Würde die japanische Industrie mit den Ideen von Kenji Kawakami auf die Weltmärkte drängen, dann könnten sich die Konkurrenten in Europa und den USA beruhigt zurücklehnen. Kawakami ist Präsident der „Japanischen Akademie für Nichtwertlose Neue Ideen“. In seinem Büro in Tokio entwickelt der 45jährige praktische Dinge, die nur den kleinen Fehler haben, daß sie garantiert niemand will. „Chindogu“ nennt Kawakami seine überflüssigen Entwicklungen, die in Japan Sammlerwert haben.
Allein die Mühen des Haushalts haben den Meister zu einem Arsenal von Geräten und Werkzeugen inspiriert, deren Gebrauchswert auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen ist. Mit einer Mini- Waschmaschine, die um den Unterschenkel geschnallt wird, bleibt die Hausfrau auch am Waschtag mobil. Das Trocknen der Socken erledigt der golfbegeisterte Ehemann mit dem Wäscheschläger. An dessen Ende befindet sich eine kleine Wäschespinne. Der Benutzer schult seine Technik, und die Feuchtigkeit weicht aus den am Schläger befestigten Textilien.
Tierliebe Japaner, die frischen Fisch mögen, können nun ohne Reue genießen. Eine „Kopfmaske“ verdeckt bei der Zubereitung die anklagenden Augen des Tieres. Weniger Mitleid hat Kawakami mit den Katzen. Sie sollen sich ihr Kostgeld in Zukunft mit dem „Pussi-Mop“ verdienen. Die kleinen Pantoffeln mit flauschiger Sohle können den Besen ersetzen, wenn die Katze nur fleißig über den Parkettboden schnurrt.
Für Gartenarbeit und Landwirtschaft baute Kawakami den „Schweizer Armee-Alleskönner“. In den meterhohen Nachbau eines Schweizer Taschenmessers integrierte er Schaufel, Spaten, Spitzhacke, Harke und andere Gerätschaften. In Kawakamis Reisekrawatte finden sich auf der Rückseite ein Schreibset, Kreditkarten und Taschenrechner.
Keine Ruhe lassen dem Meister auch die Leiden der Millionen Bahnpendler in Tokio. Für jene, die im Zug einnicken, entwickelte er das „Schlaf-gut-Banner“. Es wird vor das Gesicht gehängt, schützt gegen Lichteinfall und verrät den Mitfahrern: „Ich schlafe vom Hauptbahnhof bis zur Station Shinjuku.“ Freundliche Fahrgäste werden dafür sorgen, daß der Ruhende rechtzeitig geweckt wird.
Kawakami ist sicher, daß manche seiner Entwicklungen ihren großen Markterfolg noch vor sich haben. „Viele dieser ,chindogu‘ sind dazu bestimmt, in der Zukunft wirklich nützliche Gegenstände zu werden. Es ist heute kaum vorstellbar, aber der Erfinder des ersten Regenschirms ist auf der Straße ausgelacht worden.“
Patente hat der Herausgeber eines Versandkatalogs noch nie angemeldet. Doch zwei „chindogu“- Handbücher, in denen er seine 300 Eigenbauten vorstellt, sind Kassenschlager. In kaum einem Werk kommt „chindogu“-Philosophie besser zum Ausdruck als in Kawakamis Solar-Taschenlampe. Sie gibt strahlendes Licht — aber leider nur bei Sonnenschein.
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