Ein erster Schritt zur Wochenzeitung : Mehr Politik wagen
Ab 9. Oktober präsentieren wir die neu entwickelte taz am Wochenende. Mit einem erweiterten Politikteil und acht neuen „stadtland“-Seiten.
Von MALENE GÜRGEN
27.09.21 | Wenn Sie die neue taz am Wochenende in die Hand nehmen oder in Ihrer App öffnen, dann merken Sie vielleicht erst mal gar nicht, dass etwas anders ist. Das Rot ist nicht roter als sonst, die Schriftart die gleiche, der Name der Zeitung steht am gewohnten Platz. Und trotzdem: Wenn Sie die Zeitung aufschlagen, sehen Sie das Ergebnis eines monatelangen Entwicklungsprozesses in der taz, bei dem wir unsere Samstagsausgabe grundlegend überarbeitet haben.
Im Fokus stand dieses Mal weniger das Erscheinungsbild, das haben wir schließlich erst 2017 grunderneuert. Jetzt ging es um die Inhalte. Dazu muss man wissen, dass solche Entwicklungen auch in der taz wellenförmig verlaufen, in Bewegungen und Gegenbewegungen: Ging es vor einigen Jahren noch darum, am Wochenende das taz-Repertoire in Richtung der großen Gesellschaftsgeschichten zu erweitern, den Blick auch mal auf die vermeintlichen Nebensächlichkeiten des Alltags zu lenken oder gar den Boulevard in die Zeitung zu holen, so ist all das mittlerweile längst und nicht nur in der Samstagsausgabe etabliert. Zeit also, jetzt das politische Gewicht der Samstagsausgabe zu stärken.
Per Videokonferenz diskutierten wir einzelne Seiten
Wellenförmige Entwicklung: Das klingt nach sanftem Schwappschwapp. Dahinter verbirgt sich natürlich jede Menge Konfliktstoff: Ist mit „leicht“ auch „seicht“ gemeint? Ist Boulevard nicht auch politisch? Und steckt in jeder politischen Nachricht nicht auch ein großes Gesellschaftsthema? Das sind Fragen, über die in der taz stundenlang gestritten werden kann.
In einer entscheidenden Frage bestand dieses Mal allerdings Einigkeit, wie ich erleichtert feststellen konnte, als ich im Januar 2020 als Produktentwicklerin die Weiterentwicklung der Wochenendausgabe übernommen hatte: Einen größeren Politikteil, das wollten alle. Natürlich nicht zulasten der Kultur oder der Gesellschaft, und auch die vier Seiten KONTEXT werden bleiben, wie Sie sie kennen und schätzen. Ein weiterer Glücksfall für diesen Entwicklungsprozess: Genau diese Politisierung unserer Wochenendausgabe wünschen sich seit Langem auch viele Leser:innen.
Das Ziel war also klar. An der Umsetzung feilte eine redaktionelle Entwicklungsgruppe monatelang, der Teufel steckt schließlich im Detail, und auch per Videokonferenz lässt sich trefflich über einzelne Seiten und Formate diskutieren.
Insgesamt 16 Seiten für Politik und Meinung
Seiten und Formate sind dabei die Einheit, mit der wir letztlich auch die inhaltliche Gewichtung bestimmen: Was bekommt wie viel Platz und wo? Sie können sich vorstellen, dass auch das nicht ohne Konflikte funktioniert, schließlich sind alle in der taz davon überzeugt, dass die Themen, die ihnen besonders am Herzen liegen, besonders große und schöne Plätze in der Zeitung verdienen.
Das ist absolut richtig. Und kann absolut nicht erfüllt werden. Geholfen hat aber, dass wir ein Mehr und kein Weniger gestalten konnten: Vier zusätzliche Seiten hat der vordere Teil bekommen, der nun insgesamt 16 Seiten für Politik und Meinung umfasst.
Dafür gab es im Entwicklungsprozess noch eine zweite, fast größere Herausforderung. Denn im hinteren Teil der Zeitung wagen wir ein Experiment: Lokale Geschichten, für ein bundesweites Publikum erzählt. Statt der Regionalteile im Norden und in Berlin erscheinen hier künftig acht ganz neue Seiten unter dem Überthema „stadtland“, auf denen hauptsächlich die Journalist:innen aus unseren Regionalredaktionen lokale Themen so aufschreiben, dass sie für Leser:innen in ganz Deutschland relevant sind.
Vom Regionalen ins Überregionale
Wir glauben, dass das funktioniert, weil sich an den vermeintlich kleinen, lokalen Ereignissen so oft die großen, mindestens bundesweiten, wenn nicht globalen Themen erzählen lassen. Trotzdem: Der Weg bis zu diesem Ergebnis war nicht einfach, denn, auch das muss gesagt werden, dieser Entwicklungsschritt geht mit Seiten- und Ressourcenverschiebungen innerhalb der taz einher, vom Regionalen ins Überregionale. Da ging es also nicht nur um ein Mehr, sondern auch um ein Weniger, und das ist immer auch schmerzhaft.
Als Produktentwicklerin, die diese Prozesse koordiniert hat, stecke ich viel zu tief drin, um bewerten zu können, wie gut uns das Ergebnis gelungen ist. Was ich sagen kann: Die taz sieht der neuen Samstagsausgabe durchaus mit Respekt entgegen, schließlich haben wir uns wirklich einiges vorgenommen. Aber wir haben auch sehr viel Vorfreude auf das, was da kommt. Die Kolleg:innen der taz am Wochenende werden Ihnen hier noch ausführlicher erläutern, wie sich das Ressort für die neue Ausgabe aufgestellt hat. Klar ist jedenfalls: Wir sind bereit für ein neues Wochenende, und wir hoffen, Sie sind es auch.
Malene Gürgen, taz-Redakteurin und seit Januar 2020 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der taz als Wochenzeitung.