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Archiv-Artikel

Ein absurdes Hakenkreuz-Urteil KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Als ob die Justiz sonst nichts zu tun hätte! In Stuttgart wurde ein Versandhändler verurteilt, weil er T-Shirts und Anstecker mit durchgestrichenen Hakenkreuzen verkauft. Dies sei als Verbreitung von NS-Symbolen strafbar. Statt sich auf echte Straftaten zu konzentrieren, geht die angeblich so überlastete Staatsanwaltschaft gegen weltweit anerkannte antifaschistische Symbole vor. Und das Stuttgarter Landgericht segnet das auch noch ab.

Eine Welle der Selbstbezichtigungen wird folgen. Und am Ende werden der Bundesgerichtshof, das Verfassungsgericht oder der Gesetzgeber das Urteil wieder aus der Welt schaffen. Selten hat sich der Rechtsstaat so lächerlich gemacht. Dabei sind die Stuttgarter Juristen auch noch Überzeugungstäter. Sie wollen nicht die Antifa ärgern, sondern glauben tatsächlich, dass sie etwas Gutes tun, wenn sie das Hakenkreuz auch in jeder Anti-Version aus dem öffentlichen Leben verbannen.

Dieser Denkansatz ist aber schon im Ansatz verkehrt. Wie soll sich die Gesellschaft mit Nazis auseinandersetzen, wenn sie nicht einmal symbolisch ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen darf? Wer die Ansicht der Staatsanwälte zu Ende denkt, müsste auch das Wort Nationalsozialismus oder Fotos von Adolf Hitler verbieten. Und tatsächlich gibt es hierzu bereits erste Anfänge. Erst jüngst wurde die Wohnung des Liedermachers Hans Söllner durchsucht, weil er auf einem Antikriegs-T-Shirt neben George W. Bush auch das Konterfei Hitlers abgedruckt hatte.

Es ist doch ein ganz generelles Problem: Wer sich gegen etwas ausspricht, muss das Abgelehnte auch benennen und zeigen können. Deshalb muss Alice Schwarzer Gewaltpornografie präsentieren dürfen, und die katholische Kirche muss auf menschenverachtende Papst-Karikaturen zumindest hinweisen können.

Das Beispiel mit dem durchgestrichenen Hakenkreuz zeigt aber auch: Exzessiv angewandte Zensurvorschriften treffen immer die Schwachen und Randständigen zuerst. Natürlich wurde hier ein Punk-Versand verurteilt und nicht der Weltfußballverband, der das Signet auch benutzt. Deshalb gilt auch bei Zensur: Wehret den Anfängen!

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