piwik no script img

■ Ein Weg aus der SackgasseFür Privatisierung

Privatisierung ist kein neues Thema auf der Tagesordnung Europas. Während der Restauration der zerstörten Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Stichwort sehr häufig in die Runde geworfen. Doch die Bevölkerung, die die Entbehrungen des Krieges leid war, brachte in den meisten Staaten Sozialdemokraten an die Macht, die schnellen Wohlstand versprachen. Unter ihnen wurden die Privatisierungskonzepte abgelegt, statt dessen wurde verstaatlicht. Die erste mutige Initiative einer Privatisierung wurde in Großbritannien unter der Regierung Thatcher ergriffen. Die Konservativen verteidigten Privatisierung nicht nur wegen ihrer praktischen Vorteile, sondern auch als liberale Ideologie.

In Italien und Frankreich kam die Privatisierung auf die Tagesordnung, nachdem in Europa unter dem Einfluß der zweiten Ölkrise die negativen Bilanzen der Staatsbetriebe zum Anwachsen der öffentlichen Defizite führten. Doch aus politischen Gründen schritt die Privatisierung langsamer voran als in Großbritannien. Die spanischen Sozialdemokraten waren in dieser Hinsicht erfolgreicher. Der Übergang zu einer liberalen Wirtschaftspolitik, zur Marktwirtschaft und zur Demokratie nach der Auflösung der Sowjetunion und der Vereinigung Deutschlands hat die Privatisierung regelrecht erzwungen. Auch die Praxis in mehreren lateinamerikanischen Ländern kann als positives Beispiel herhalten. In Mexiko, Brasilien und insbesondere in Argentinien hat der Privatisierungsprozeß einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der öffentlichen Defizite und zur Liberalisierung der Wirtschaftsstruktur geleistet. Daß mehrere kleinere Länder diesem Weg folgen, kann eine wichtige Rolle bei der Lösung der chronischen ökonomischen, gesellschaftlichen, ja sogar der politischen Probleme in der Region spielen.

In der Türkei kam die Privatisierung erstmalig 1986 auf die Tagesordnung. Doch politische, ideologische, ja sogar emotionale Momente blockierten die Einleitung der Privatisierung. Erst im November dieses Jahres verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Möglichkeit schneller und systematischer Privatisierung eröffnet. Wie in Großbritannien sollte die Privatisierung nicht nur aufgrund ihrer offenkundigen praktischen Vorteile in Angriff genommen werden, sondern auch, weil sie ein wichtiger Bestandteil liberaler Ideologie ist. In einer Zeit, in der aus wirtschaftspolitischen Gründen die Privatisierung zu einer Notwendigkeit geworden ist, öffnet es den Sozialdemokraten ein Tor, um aus ihrer politischen Sackgasse herauszutreten. Erdogan Alkin

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen