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Archiv-Artikel

Ein „Stopp!“ von Jostein Gaarder

betr.: „Von der Kritik zum Tabu“, taz vom 15. 8. 06

Ich habe Jostein Gaarders Chronik im Original gelesen und kann mir nicht vorstellen, dass sie in einem rechtsradikalen Blatt erscheinen könnte. Gaarder hat weder Israels Existenzrecht als solches in Frage gestellt noch zum Judenhass aufgerufen, sondern auf sehr provokante Art Israels Recht bestritten, seine Grenzen über das Gebiet von 1948 hinaus auszudehnen: durch militante Siedler, durch Einzäunungen, Erbauen von Mauern, Unterdrückung, Verfolgung und unrechtmäßige Gefangennahme von Palästinensern und ganz wesentlich durch Krieg gegen militärisch weit unterlegene Gegner.

Seinerzeit sind die Juden vor der Verfolgung in Europa durch die Nazis geflohen und haben sich aus Verzweiflung ein Land genommen, das ihnen nicht gehörte. Dennoch hat die UNO 1948 gesagt, dass es recht und billig sei, dass die Juden nach dem Holocaust ein eigenes Land fern von den damaligen Tätern bekommen. Es wurde ein Teilungsplan erarbeitet, der auch den Palästinensern eine Fortexistenz als Volk und Nation ermöglichen sollte. Darüber hat Israel sich aber mit Siedlungspolitik sowie Krieg und Gewalt immer wieder hinweggesetzt, und Gaarder wollte einfach sagen, dass es an der Zeit ist zu sagen: Stopp! Die Forderung nach einer sicheren Heimstatt ist erfüllt, und auf mehr besteht einfach kein Recht.

Was Gaarder mit beißendem Hohn und Spott aufgezeigt hat, ist der Zusammenhang zwischen der Scham der Europäer über das begangene Menschheitsverbrechen an den Juden und ihrer Unfähigkeit, sich nüchtern eine unabhängige Meinung zu Israels heutiger Handlungsweise zu bilden. INGER DETLEFSEN, Bremen

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