: Ein Senf der €DU!
Sie hat immer gekämpft für demokratische Werte. Und dass diese Werte gefälligst auch dort zu gelten haben, wo man nicht so genau hinsieht. Jetzt ist Karin Burger, Betreiberin des Blogs „Satiresenf“ und Autorin von Kontext, gestorben.
Von Anna Hunger↓
Es ist etwas her, da sagte der Kollege: „Schau dir mal den Blog ‚Satiresenf‘ an. Die Frau hat eine echt scharfe Schreibe.“ Gesagt, getan und nicht nur eine irre Schreibe gefunden, sondern auch eine bemerkenswerte Frau um die 70, die genau das hatte, was JournalistInnen brauchen, vor allem im Lokalen: Chuzpe, Biss und die Begabung, Worte wie geschliffene Schwerter zu formulieren, um auch mal deutlich auf den Punkt zu bringen, was gesagt werden muss.
Karin Burger und ihr „Satiresenf“, beheimatet in Sauldorf, haben den Kreis Sigmaringen und das Land drumherum ordentlich aufgemischt. Und das getan, was Journalismus vor allem auch im Kleinen tun sollte: die auf dem Schirm haben, die in der Peripherie der Großstädte, auf dem Land, gerne schalten und walten, wie es ihnen passt. Oft unter dem Radar, dank fortschreitender Pressekonzentration und der Schließung von Lokalredaktionen.
Karin Burger hat vor allem da genau hingesehen, mit scharfem Verstand und noch schärferer Schreibe. Die hat sie „Senf“ genannt und immer die „besenft“, die sich wieder mal was geleistet hatten. Mit Vorliebe die „Korruptions- und Skandal-Partei €DU“ – das C hat sie irgendwann und ab da durchgehend durch das Eurozeichen ersetzt – denn: „Es drängt sich ohnehin zunehmend der Eindruck auf, dass die Zugehörigkeit zur €DU allmählich selbstverständliches Begleitmerkmal von Regelverstößen und Willkür-Management (auch) in der Kommunalverwaltung ist.“
Karin Burger hat über den neuen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben geschrieben, der nicht nur die Flächenversiegelung auf ein ganz neues Level hebt, über die Amazon-Ansiedlung in Trossingen und die unrühmliche Rolle des Stuttgarter Ordnungsbürgermeisters in dieser Geschichte. Manchmal, aber selten, schrieb sie auch über leichtere Kost, mal über die „Kitsch- und Kotzsendung Landleben 4.0“ des SWR oder die Vogelzählaktion des Nabu in ihrem „Siedlungsraum“. Der sei für die Zählaktion „nachgerade optimal, weil exzesshaft ländlich. (…) In unserem Weiler am äußersten Rande des westlichsten Südzipfels der Schwäbischen Alb gibt es nicht einmal Straßennamen. Aber immerhin eine Straße. (Und seit dem Jahr 2000 sogar Kanalisation!)“
Solche Glossen waren eher Ausnahmen. Meistens war die Frau das, was man wohl unbequem nennt. Kaum ein Rathaus in ihrem Umfeld, das nicht schon einmal mit scharfen Nachfragen belegt wurde. Manchmal war sie etwas drüber, zugegeben, aber auf eine positive Art und Weise, immer auf Seite der Gerechtigkeit. Eine Kämpferin für die Werte der Demokratie, immer gegen Nazis. Mit denen hat sie Erfahrungen gesammelt, als sie sich publizierenderweise mit rechten Tierschützern anlegte – die dann, so hat sie es erzählt, protestierend vor ihrer Haustür aufmarschiert waren.
Hinter dieser Tür lebte sie alleine. Zur Miete in einem alten Haus, in dem sie viele Jahre Deutsche Doggen aus dem Tierschutz betreute. Bis sie das nicht mehr konnte. Sie saß im Rollstuhl, ging auf Krücken, wegen schwerer körperlicher Erkrankung. Karin Burger hat später von Hartz IV gelebt, weil der Blog nicht den Lebensunterhalt decken konnte. Ebenso nicht die Honorare als freie Mitarbeiterin des „Südkurier“. „Für die wichtige Arbeit der Gemeinderatsberichterstattung werden Sie schlechter bezahlt als eine Reinigungsfachkraft“, hatte sie einmal für uns geschrieben. „Aufwand von vier Stunden inklusive Fahrt für eine Gemeinderatssitzung (Dauer: 2,25 Stunden) – Honorar dafür: 15 Euro.“
Solange ich sie kannte, hat sie gekämpft, die Frau mit der Schwertgosch, die Worte nicht geschrieben, sondern jedes einzelne geschnitzt hat. Sie hat gekämpft mit den körperlichen Einschränkungen, aber mehr noch mit der Fremdbestimmtheit und den Unverschämtheiten, die Hartz IV mit sich bringt, und gegen die sie immer wieder versucht hat, sich zu wehren.
Und trotz allem: Frau Burger, die „Texthex“, wie sie sich nannte, hatte einen rabenschwarzen Humor. Mit sich selbst, mit anderen. Sie hat mit Vorliebe auf ihrem Blog gewirbelt, ordentlich Welle gemacht. Nach einem Schlaganfall im Frühjahr hat sie sich zurückgekämpft, die Finger trainiert, damit sie wieder schreiben konnten, den Kopf, damit er die Worte wieder fand. Aber letztlich hatte sie wohl doch genug von diesem Leben. Karin Burger war eine sehr stolze Frau. Zu stolz, um in Abhängigkeit von Ämtern, und in einem immer schwächer werdenden Körper alt zu werden.
„Heute habe ich mich mal ‚chic‘ gemacht“, hat sie vor Längerem mal auf „Satiresenf“ geschrieben. „Heißt bei mir: Aschenbecher geleert und ein buntes Schleifchen am Rollator.“ Liebe Frau Burger, Sie werden uns und Ihren LeserInnen fehlen. Und dem Landkreis Sigmaringen. Denn wer, wenn nicht Sie, besenft denn jetzt die ganzen Großkopferten?
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