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Archiv-Artikel

Ein Konflikt, drei Optionen Frieden ohne Gewähr

Auch wenn Politiker mit Einwänden überbieten – so unwahrscheinlich ist ein Militärschlag gegen Iran nicht

GENF taz ■ Wer derzeit in Washington, Berlin oder anderen Hauptstädten die Frage nach einem militärischen Vorgehen gegen Iran stellt, erhält – sei es von Politikern, Militärs, Geheimdienstlern oder sicherheitspolitischen Experten – fast ausschließlich skeptische bis abwiegelnde Reaktionen. Zwar wird vor allem in Washington überall betont, die „militärische Option“ sei „nicht ausgeschlossen“. Aber dann folgen sofort fünf wesentliche Einwände: Erstens sei ein Krieg gegen Iran militärisch kaum machbar, gerade wegen des „Engagements“ der USA im Irak. Zweitens würde er zu militärischen Gegenschlägen Irans gegen Israel, US-Stützpunkte am Golf und andere Ziele führen.

Außerdem sei er für die Bush-Administration angesichts des Desasters im Irak innenpolitisch nicht durchsetzbar. Zudem böte ein Angriff keine Gewähr, die vermutete Entwicklung von Atomwaffen im Iran dauerhaft zu verhindern. Der fünfte Einwand: Ein Krieg hätte verheerende politische Folgen für die ganze islamische Welt, würde die Terrorismusgefahr erhöhen und die Ölversorgung gefährden.

Die ersten beiden, militärisch-operativen Einwände überzeugen nicht. Die USA sind zwar nicht zu einem großflächigen Angriff mit Bodentruppen auf den Iran in der Lage, aber durchaus zu einem umfangreichen Luftkrieg. Schon seit Anfang 2002 entwickelt das Pentagon auf Weisung des Weißen Hauses Operationspläne für Luftschläge, die die militärische wie zivile Infrastruktur des Landes zu großen Teilen zerstören sollen. Ein Teil der Pläne sieht den Einsatz bunkerbrechender Atomwaffen vor.

Wie weit diese Planungen gediehen sind, haben in den letzten Wochen der US-Journalist Seymour Hersh und der Rüstungsexperte und langjährige Ex-CIA-Mitarbeiter William Arkin öffentlich gemacht. Mit Luftangriffen ließen sich auch die iranischen Kapazitäten für Gegenschläge zerstören.

Die drei weiteren, politischen Einwände sind zwar gravierend, bieten aber ebenfalls keine verlässliche Gewähr, dass es nicht zu einem Krieg kommt. Ähnliche Bedenken waren – gerade auch von führenden Militärs, Sicherheits- und Nahostexperten in Washington – schon 2002 mit Blick auf einen Krieg gegen Irak zu hören. Und trotzdem wurde er geführt. Und die Realität im Irak hat alle Warnungen inzwischen nicht nur bestätigt, sondern sogar noch weit übertroffen. Diese Erfahrung sollte weitere Kriegsabenteuer eigentlich undenkbar machen.

Doch Vorsicht: Zum Einen gibt es eine Fraktion innerhalb der Bush-Administration, die ein militärisches Vorgehen gegen Iran für unerlässlich hält, um den Regimesturz in Teheran zu bewirken. Zum Zweiten könnte Bush der Versuchung erliegen, kurz vor den Kongresswahlen Anfang November mit Luftschlägen gegen iranische Bodenziele seine Popularität zu stärken und die drohende Wahlniederlage seiner Partei abzuwenden.

Ein Erfolg dieses Kalküls setzt allerdings voraus, dass die US-amerikanische Bevölkerung Iran bis zum Herbst stärker als bisher als Bedrohung empfindet. Dies könnte gelingen wenn der Konflikt um das iranische Atomprogramm weiter eskaliert.

ANDREAS ZUMACH