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Ein Gorleben für die SchweizUmstrittenes Atomklo am Hochrhein

Die Suche der Eidgenossen nach einem Endlager für Atommüll gilt in Europa als vorbildlich. Dabei ist es mit der Transparenz längst nicht so weit her. Und mit der Akzeptanz auch nicht.

Tatsächlich: "Gorleben ist überall". Demnächst womöglich in der kleinen Ortschaft Benken nahe Schaffhausen. Bild: dpa

MÜNCHEN tazDie Schweizer Suche nach einem Atommüll-Endlager gilt als besonders transparent. Immerhin tourte die Regierung durch die betroffenen Regionen und organisierte Veranstaltungen. Auch der verflossene deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel wurde nie müde zu betonen, dass die Deutschen von so einem "breit abgestützten Entscheidungsprozess" nur träumen könnten.

Doch taugen die peniblen Eidgenossen in Sachen Endlagersuche tatsächlich als Vorbild? Jean-Jacques Fasnacht von der Anti-Atom-Bürgerinitiative Klar! Schweiz ist sich weniger sicher. Er hält das 2008 eingeleitete Sachplanverfahren, mit dem sechs mögliche Standorte überprüft werden sollen, für Verschleierungstaktik: Die Entscheidung sei bereits gefallen, alles laufe auf Benken hinaus - eine Variante, die den meisten Atomkraftgegnern gar nicht gefällt.

Seit 30 Jahren sucht die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach einem Endlagerstandort. In Benken nahe Schaffhausen hat sie eine 125 Meter dicke Schicht Opalinuston gefunden. Genau diese Umgebung hält sie für die geeignetste, um die strahlenden Hinterlassenschaften der Schweizer Atomindustrie für Jahrtausende einzuschließen.

Der Protest vor Ort blieb bislang überschaubar, doch hofft Fasnacht, dass sich die Bürger in der von der atomfreundlichen Schweizerischen Volkspartei dominierten Nordschweiz rühren, wenn nach und nach die soziökonomischen Folgen eines Endlagers deutlicher werden. "Wir wollen Akzeptanz", sagt Fasnacht. Dazu aber müsse man die Bevölkerung in den betroffenen Regionen per Referendum über das Projekt abstimmen lassen.

Doch diese Möglichkeit gibt es nicht mehr, seit der Schweizer Bundesrat 2005 mit bürgerlicher Mehrheit ein neues Kernenergiegesetz verabschiedete. Seitdem sind Volksabstimmungen zu Fragen der Atomenergie nicht mehr in den direkt betroffenen Kantonen, sondern nur noch landesweit möglich - was die Erfolgschancen der Atomkraftgegner empfindlich geschmälert hat.

Parallel dazu gab der Bundesrat grünes Licht für ein "ergebnisoffenes", dreistufiges Auswahlverfahren mit umfangreicher Beteiligung der Öffentlichkeit. Ausgehend von den sechs von der Nagra bereits untersuchten Endlagerstandorten, soll spätestens bis 2018 der sicherste Platz für je ein Endlager für schwach- und mittelaktiven sowie hochaktiven Müll oder alternativ ein Kombilager bestimmt werden. Darüber könnte die Schweizer Bevölkerung dann in einem landesweiten Referendum abstimmen. 2030 bis 2040 soll das Endlager in Betrieb gehen.

Gestritten wird aber nicht nur über das Verfahren, sondern auch über die Kriterien. Denn ob Opalinuston als Wirtsgestein für hochaktive Atomabfälle überhaupt geeignet ist, darüber sind sich Atomkraftgegner und -befürworter keineswegs einig. Axel Mayer, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz in Freiburg, warnt vor den Folgen eines "Atomklos am Hochrhein" für das Einzugsgebiet. Ursprünglich hatten die Schweizer die Granitformationen der Alpen als Endlagerstätte angepeilt. Laut Mayer kamen diese aber nicht in Frage, weil sie geologisch noch aktiv sind. Deshalb habe die Genossenschaft auf Opalinuston umgeschwenkt. "Aus dem geplanten Endlager im Granit wurde über Nacht die Endlagervariante Sediment." Die Tonschichten seien jedoch zu dünn, lägen nicht tief genug - und in einer Erdbebenregion.

Der Geologe Paul Bossart, Direktor des mit der Nagra verbandelten Felslabors Mont Terri, schwärmt dagegen von der sehr geringen Wasserdurchlässigkeit und der "Selbstabdichtungsfähigkeit" des Opalinustons.

Dass die Formation in Benken in gerade mal 400 bis 600 Metern Tiefe liegt, ist für Bossart kein Problem bei der Realisierung eines Atomendlagers. Dabei denkt der Wissenschaftler schon an die nächste Eiszeit. "Der Ton liegt tief genug, dass er von einem Gletscher nicht ausgehobelt werden kann."

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10 Kommentare

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  • H
    H.St.

    Von Jan-Christian Lewitz:

     

    "Als Nachtrag:

    Bei der Herstellung von Solarzellen wird mit hochkonzentrierten Säuren und Schwermetallen gearbeitet.

     

    Die dabei entstehenden hochgiftigen Abfälle müssen doch ganz bestimmt auch sicher endgelagert werden. Wo gehen die denn hin? Oder wird bei den Clean Renewables etwa an der Oberfläche abgekippt?"

     

    Ich denke da gibt es entsprechende Gesetze.

    Anders als beim Uranabbau wo der restliche und größte Teil der original im Gestein befindlichen Radioaktivität nach der Gewinnung des Urans in sogenannten Tailings "sicher" entgelagert offen herumschwimmt. Macht die Mine dicht können die Kinder ausm Dorf drinn baden... Wird im Film "Uranium is it a Country?" sehr scön dargestellt

  • A
    Andreas

    Ach Benj, ich habe doch dargelegt, dass es KEINE Endlagerproblematik gibt! Klar Lobbyisten oder der Propaganda Verfallene wie Du brauchen natürlich ein Problem.... sonst gibt es doch keine Spenden und nichts über das man sich aufregen kann! ;-)

     

    ich bin übrigens keiner Lobby anhängig.... Du?

     

    Übrigens: gegen die Geschichtsverzerrung: Die Endlagerfindung und die Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie deren Recycling waren schon von Anbeginn der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland auf der Agenda und sind/waren gelöst.... wer das verneint lügt!

  • B
    Benj

    @ Andreas,

    UNd bei allem Respekt, aber WIR müssen JETZT aus der Atomenergie raus, bevor die Endlagerungsproblematik zur ENDSTATION wird!

     

     

    Betreiber und INdustrie von Erneuerbaren Solarenergien sind immerhin schon jetzt dabei, sich über Endlager gedanken zu machen!

     

    Ach und apropos bezahlte Werbung,- bist du bei VAttenfall oder nur so in der Atomlobby?

  • A
    Andreas

    @redAgent:"klar das es keine sicherheit in diesem Bereich geben kann" Ich frage mich, wie Du zu dieser Aussage kommst, dass das "klar" sein soll....

    ..natürlich gibt es eine Sichere Endlagerung

    -->Die "Abfälle" des Naturreaktors Oklo (guckstdu Wikipedia) waren/sind doch auch "sicher" endgelagert..

    Kommst Du für Kosten und Sicherheit Deines Mülls (Quecksilber, Arsen, Dioxin, Furane) auf, der in den Endlagern liegt, weil Du ein Handy, einen Computer, ein Auto besitzt oder schonmal Medikamente benutzt hast?

     

    @vic: Dich braucht man nicht zu kommentieren, kostet nur unnötige Zeit

     

    @BUND: sind diesen Monat nicht genug Spenden in den Konzern B.U.N.D. geflossen, oder warum muss hier Werbung betrieben werden? @TAZ:Zahlt der B.U.N.D. für die Werbung?

     

    @Jan-Chrsitian: wenigstens sehen einige Menschen in diesem Land noch klar! Danke für die Hinweise!

  • JL
    Jan-Christian Lewitz

    Als Nachtrag:

    Bei der Herstellung von Solarzellen wird mit hochkonzentrierten Säuren und Schwermetallen gearbeitet.

     

    Die dabei entstehenden hochgiftigen Abfälle müssen doch ganz bestimmt auch sicher endgelagert werden. Wo gehen die denn hin? Oder wird bei den Clean Renewables etwa an der Oberfläche abgekippt?

  • JL
    Jan-Christian Lewitz

    @Andreas

     

    Danke für diesen über den Tellerrand schauenden Beitrag. Denn es ist die tatsächlich grundlegende Frage, wie gehen wir mit toxischen (= giftigen) Abfällen um? Dioxine, Schwermetalle, Asbest, ... wem fällt noch etwas ein. Wo sind die Umweltschützer, die wissen, dass hier das tausendfache an Müllvolumen endegelagert wird und einen Langzeitsicherheit ebenso erforderlich ist. Die Endlager für konventionelle (= nicht radioaktive) toxische Stoffe sind seit Jahrzehnten auch in Deutschland in Betrieb. Wäre doch unverantwortlich, wenn die nicht langzeitsicher betrieben werden würden.

  • AM
    Axel Mayer / BUND

    Atommüll Schweiz: Wohin mit radioaktivem Abfall der eine Million Jahre strahlt?

     

    Eine umfassende Hintergrundinformation zu diesem wichtigen Thema gibt es hier:

    http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/atommuell-benken.html

     

    Axel Mayer, BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein

  • V
    vic

    Ein Atom-Endlager für Jahrtausende, und noch dazu sicher?

    Gibt´s nicht. Wird´s nie geben. Träumt weiter.

    Mit sehr viel Glück wird diese Generation die große Rechnung für Idiotie nicht selbst bezahlen müssen.

  • R
    redAgent

    @andreas

     

    alles klar... Die Atomkraftgegner sind so gut wie die einzigsten die sich überhaupt mit dem Thema auseinanderstezten, wenn man sich anguckt was in Deutschland los ist dann weiss man das man kritisch alles anschauen muss. es ist doch klar das es keine sicherheit in diesem Bereich geben kann, jedoch wiess jeder Gegner der atomkraft auch das wir einen Lagerplatz brauchen, egal wo er liegen sollte. Solange aber kein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema erkennbar ist muss jeder Gegner auch alles in frage stellen, es ist doch klar das es kein Endlager geben kann sondern nur Tempoäre Lager geben kann und wir die Verantwortung noch für millionenn Jahre an unsere Kinder weitergen müssen, ich denke mal das ist der Punkt der den meisten Kritikern auf der Sele brennt.

     

    So Leute wie du die sowas "Scheinargumente" nennen sollten Benutzungsabhängig an dem Problem beteiligt werden und selbst für Kosten und Sicherheit ihres Mülls aufkommen!

  • A
    Andreas

    Atomkraftgegner werden sich NIE für ein "Gestein" (Ton, Granit, Salz) entscheiden können, dass für die Endlagerung SICHER ist, denn dann fehlen ihnen die Scheinargumente gegen die Kernenergie....

     

    ...In Deutschland ist man gegen Salz....

    ...In der Schweiz gegen Ton...

    ...in Frankreich7Schweden/Finnland gegen Granit...

     

    Wie sieht es mit dem "konventionellen" Sonder/Giftmüll aus? Da haben wir doch bereits Endlager.... sind die etwar nicht sicher? Die Stoffe sind viel tötlicher und haben keine Halbwertszeit!