■ Ein Comicbildchen mischt die Kölner Klerikalen auf:: „Gefahr für den öffentlichen Frieden“
Köln (taz) – Da hatten die Herren des Kölner Erzbistums aber gepennt. Sage und schreibe ein halbes Jahr waren sie an dem gotteslästerlichen Werk vorbeigelaufen, bevor sie es im Februar endlich entdeckten und zur Anzeige brachten. Von „Beschimpfung von Bekenntnissen“ ist seitdem die Rede, der „zentrale Inhalt des christlichen Glaubens“ würde zu einer „sexuellen Pose herabgewürdigt“. Was die klerikalen Gemüter so in Wallung brachte, ist ein Bild des französischen Comic-Zeichners Masters. Das Gemälde zeigt eine vollbusige Nonne, Schwester Maria-Theresia nämlich, die dem gekreuzigten Jesus in den Lendenschurz lugt – und es hing im Fenster der Kölner „Bismarck-Galerie“, nur wenige Meter entfernt vom Generalvikariat. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, rühmte sich ein Katholensprecher der Anzeige.
Für den Galeristen, der von der Staatsanwaltschaft aufgefordert wurde, das Bild „umgehend“ zu entfernen, war das Ganze eine „alberne Nichtigkeit“. Alleine in Deutschland seien seit 1986 über 6.000 Exemplare des Comics verkauft worden: „Und jetzt machen die hier so einen Aufstand.“ Doch die Staatsanwaltschaft wollte es genau wissen. Flankiert von zwei Beamten der politischen Abteilung der Kölner Polizei begab sich ein „Ermittler“, bewaffnet mit einem Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichtes, am 15. April an den Ort des Grauens.
Die drei machten Beute: Mit einem Comic und einem gerahmten Kunstdruck des „Schmuddelbildes“ zogen sie von dannen. Sie waren noch nicht außer Sichtweite, da stellte der Galerist ein neues Heft ins Fenster: „Wollen doch mal sehen, wer hier Recht behält.“ Seitdem hagelte es neue Anzeigen. Obwohl die Aussicht auf Erfolg nur sehr gering ist: denn die Voraussetzung für eine Anklage wäre, daß der „öffentliche Friede“ in Gefahr ist.
Doch das stört die gläubigen Saubermänner nicht. Es störte sie auch schon im November 1993 nicht. Die Malerin Gerda Laufenberg hatte ein Fenster im Kölner Verkehrsamt, direkt gegenüber dem Dom, gemietet. Dort stellte sie einige ihrer Bilder aus: unter anderem die Heilige Maria als grell geschminkte US-Freiheitsstatue mit Mickymaus auf dem Schoß. Prompt blies der Chef des Amtes zum Sturm, ließ das Bild abhängen. Das Gemälde sei „eine glatte Unverschämtheit“, zeterte Kölns oberster Stadtwerber. Das Argument des verwegenen Kämpfers für die Freiheit der Kunst: „Ich habe keine Lust, mich mit den Priestern anzulegen.“
Auslöser eines anderen Streits, der bereits vor Gericht entschieden wurde und der zuvor das gläubige Köln abermals erzittern ließ, war ein einfaches Pappschild. Die Akteure der Stunksitzung, Prunkstück im alternativen Karneval, hatten es zu Beginn der vorletzten Session für eine Programmnummer über einer Christusfigur angebracht. Anstatt „INRI“ prangte „Tünnes“ über dem Gekreuzigten.
Ein Kölner Rechtsanwalt, leidenschaftlicher Sammler von Heiligenfiguren, war empört. Er erstattete Anzeige wegen Gotteslästerung. Das Schild, das nach Meinung des Amtsgerichtes „das zentrale Symbol des Christentums der Lächerlichkeit preisgegeben“ hatte, wurde beschlagnahmt.
Die Narren schlugen zurück: Mit einem anderen Schild „Reserviert für die Staatsanwaltschaft Köln – Stammtisch zur letzten Instanz“ wurde den Beamten fortan ein Stuhl in der ersten Reihe freigehalten. Dazu hieß es: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Der Skandal war perfekt, das konservative Rheinland in Aufruhr. Der Rechtsanwalt sprach von „Skinheads mit Pappnase“. Wer einen Gequälten, Jesus Christus nämlich, der Lächerlichkeit preisgebe, der müsse sich nicht wundern, wenn in der Welt immer mehr Menschen gefoltert würden. Der Staatsanwalt sah es ähnlich. Er forderte 6.000 Mark Strafe für den Verantwortlichen der „Schmachtat“, der jedoch wurde freigesprochen.
Ein „dreifach Hoch“ gebührte der Kölner Staatsanwaltschaft auch einige Wochen zuvor. Da nämlich war ein Verfahren gegen eine Mitarbeiterin der eigenen Behörde eingestellt worden. Die Frau hatte an ihrer Arbeitsstelle ein Hetzplakat gegen Türken aufgehängt: „Nix verstehen, weil ich Türke, aber Kasse immer stimmt; Deutschland, Deutschland, über alles, zahlt für jedes Kind! – Wozu soll ich hier noch schaffen, das erledigt doch mein Glied; Deutschland, Deutschland, über alles, ach wie schön ist dieses Lied.“ Das Flugblatt jedoch sei keine „böswillige Verächtlichmachung“. Nur eine „Verspottung“, und die sei straffrei, meinten die Gesetzes- Vertreter. Detlef Schmalenberg
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