Ego-Shooter gegen sexuelle Belästigung: Kaltmachen gegen Anmachen

Im Online-Spiel „Hey Babe“ kann Frau mit dem Schnellfeuergewehr Jagd auf Männer machen, die sie sexuell belästigen.

Eine Frau greift durch: Spiel "Hey Babe". Bild: Screenshot www.heybabygame.com

Dem Mann an der Ecke gefällt mein Po. Autos hupen und hinter mir schreit jemand: „Ich weiß, du willst es“. Was man da machen kann? Nicht viel. Entweder einen schönen Tag wünschen, dann fliegt eine rosa Wolke mit Herzchen durch die Luft. Oder ich zücke das Machinengewehr: Anlegen, zielen, Feuer frei.

Sexuelle Belästigung war in Computerspielen bislang kaum ein Thema, von klassischen Ego-Shootern ganz zu schweigen. Das kostenlose Online-Spiel „Hey Babe“ füllt diese Lücke. Man bzw. Frau macht nicht Jagd auf Mutanten, Monster oder Terroristen, sondern auf fiese Kerle, die einem in einer virtuellen Stadt nachstellen.

Das Spiel stammt von der britischen Künstlerin und Produzentin Suyin Looui, die Idee dazu kam ihr, als sie selbst in einer New Yorker U-Bahn Station von einem jungen Mann belästigt wurde. Das größte Problem damals: Sie wusste nicht, wie sie reagieren soll. Schimpfen und damit den Typen eventuell noch mehr provozieren? Oder einfach weggehen und die Anmache ignorieren?

In „Hey Babe“ kann jeder diese beiden Szenarien durchspielen – wenn auch auf ziemlich extreme Art und Weise. In einer virtuellen Stadt lenkt man seine weibliche Hauptperson durch die Straßen. Ständig kommen Männern auf einen zu, die einen ansprechen, manche rufen „God bless you“, oder „You are beautiful“, andere werden wesentlich deutlicher. Nun kann man sich entscheiden: Entweder man man nimmt die freundliche Variante, dann werden die Anmacher mit Herzchen überschüttet und nach einiger Zeit fliegen überall rosa Wölkchen durch die Strassen. Nimmt man Variante zwei, das Schnellfeuergewehr, verwandelt sich die virtuelle Stadt innerhalb von kürzester Zeit in einen Friedhof. Überall liegen blutüberströmte Leichen, neben ihnen Grabsteine, auf denen „R.I.P.“ steht und darunter die jeweilige Anzüglichkeit, sauber eingemeißelt für die Ewigkeit.

Als ernstzunehmendes Ballerspiel ist „Hey Babe“ nicht gedacht. Dafür ist die Grafik zu schlecht, es gibt nur ein Level, und selbst das ist auf einige Strassenzüge beschränkt. Auch gibt es kein Ziel, keinen Endgegner, keine Punkte. Das Spiel läuft einfach immer weiter, der Strom von anzüglichen Sprüchen reißt nicht ab, egal was man tut. Das kann manchmal ziemlich beeindruckend sein, vor allem dann, wenn man in eine Ecke gedrängt wird und eklige Typen im Chor auf einen Einreden. Als Mann, der sexuelle Belästigung so noch nicht am eigenen Leib erfahren hat, ist das auf jeden Fall lehrreich.

Das Schnellfeuergewehr und vor allem der Sinn der Blutorgie erklärt sich so aber nicht.

Diese extreme Gewaltdarstellung, sagte Suyin Looui in einem Radiointerview, habe sie extra so gewählt, damit klar sei, dass dies alles nur ein Spaß sei. Das Problem: Sobald man die Knarre ansetzt, unterscheidet sich „Hey Babe“ kaum mehr von einem anderen Ego-Shooter, die sexuellen Belästigungen gehen ohnehin in Gewehrsalven unter. Von einem gesellschaftskritischen Online-Spiel bleibt nicht mehr viel übrig als eine plumpe Rachephantasie: Abknallen, sie haben es ja verdient!

Auch bleibt unklar, wen genau Suyin Looui mit ihrem Spiel denn eigentlich erreichen will: Frauen, denen das Problem sexuelle Belästigung ja ohnehin bekannt ist? Wohl kaum. Bleiben nur die Männer, die ja auch diejenigen sind, die sich eigentlich ändern sollten, schließlich sind sie auch die Urheber des Problems. Allein: Die Sorte Mann, die gerne mal einer Frau „Ich weiß du willst es!“ hinterherruft, die wird wohl kaum einen tieferen Sinn hinter dem Spiel erkennen – im Zweifelsfall freuen sie sich nur über ein weiteres kostenloses Ballerspiel.

Abseits von Sinn und Nutzen hat „Hey Babe“ zumindest einiges Aufsehen erregt. Die Premium-Version des Spiels ist laut den Machern wegen der großen Nachfrage ausverkauft – worin sie sich von der kostenlosen Version unterscheidet bleibt allerdings unklar, genauso wie sich bislang keine einzige Spielerin und kein einziger Spieler gemeldet hat, der diese auch tatsächlich gekauft hat.

In englischsprachigen Blogs, Radios und Zeitungen wurde das Spiel dafür eingehend besprochen, die Urteile reichen von belanglos bis pädagogisch wertvoll. In wie weit „Hey Babe“ aber tatsächlich einen sinnvollen Beitrag zur Diskussion um sexuelle Belästigung geleistet hat, bleibt fraglich. Weder im Spiel noch auf der Homepage bekommen potentielle Opfer irgendeinen Hinweis darauf, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie das nächste Mal von einem Mann in der U-Bahn oder auf der Strasse belästigt werden. Was bleibt sind nur die Herzchen-Wolken – oder das Schnellfeuergewehr.

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