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Archiv-Artikel

EUROPA SOLLTE SICH ÜBER BERLUSCONIS SKANDALÖSE POLITIK AUFREGEN Durchmarsch des Capo

Mit ein paar hässlichen Worten brachte Silvio Berlusconi vor drei Wochen ganz Europa gegen sich auf, als er Martin Schulz zum Kapo ernannte. Und sein Staatssekretär Stefano Stefani brachte – mit kaum weniger hässlichen Worten – die Deutschen in Wallung. Komisch nur, dass die hässlichen Taten Berlusconis, die anders als diese dummen Sprüche wirklich Folgen haben, in Europa nie vergleichbare Proteststürme entfachen. Erst hat sich der Mann mit ein paar maßgeschneiderten Gesetzen seine Probleme mit der Justiz vom Leib geschafft. Und jetzt nutzt er seine politische Position, um einerseits die Machtstellung des Privatfernseh-Monopolisten Berlusconi weiter auszubauen, andererseits zugleich festzuschreiben, dass das nie und nimmer einen „Interessenkonflikt“ darstellt.

Da hat Berlusconi sogar Recht: Mit seinen eigenen Interessen hat der Mann keinen Konflikt. Er macht sie konsequent zur Richtschnur seines politischen Handelns. Mag seine Bilanz nach gut zweijähriger Amtszeit noch so bescheiden sein, bei den ihn wirklich interessierenden Punkten ist der Durchmarsch fast vollendet. Die dritte Gewalt, die Justiz, stellt für ihn keine Drohung mehr dar; und sein umfassender Zugriff auf die vierte Gewalt, die staatlichen wie die privaten Medien, wird mit dem jetzt vom Senat gebilligten Gesetz abgesegnet.

Schön für Berlusconi, dass er sich da blind auf seine Koalitionspartner verlassen kann. Die mögen sich über alles andere in die Haare kriegen, über Rentenreform und Föderalverfassung, über Steuersenkungen und Wirtschaftspolitik. Doch bei den für Berlusconi wirklich wichtigen Gesetzen – erst die zur Justiz, jetzt die zu den Medien – stehen sie wie ein Mann hinter dem Regierungschef. Sie wissen eben zu unterscheiden zwischen jenen Spielwiesen, auf denen sie sich auch mal austoben dürfen, und den wirklich ernsten Fragen, bei denen Berlusconi keinen Spaß versteht. Medien- und Justizverfassung sind eben spannend für seine Zukunft, aber auch für die der italienischen Demokratie. Es wird Zeit, dass sich Europas Öffentlichkeit darüber ereifert – und nicht bloß über dumme Kapo-Vergleiche. MICHAEL BRAUN