EUROPA INTERESSIERT IHN NICHT. BERLUSCONIS EU-HALBJAHR IST GESCHAFFT : Luftnummern und viel Show
Bescheidenheit, gar Selbstkritik – sie sind Silvio Berlusconis Sache nicht. Davon konnten sich gestern erneut die Abgeordneten des Europäischen Parlaments überzeugen, als Berlusconi vor ihnen seinen letzten Termin als EU-Ratspräsident absolvierte, um eine Bilanz des „italienischen Halbjahrs“ zu ziehen. Eine Bilanz, die sich auf ein Wort zusammenzieht: „Positiv“ sei es verlaufen. Ein paar Tage vorher war Berlusconi noch weiter gegangen, sprach gar von „Triumph“, ausgerechnet zum Abschluss der gescheiterten Regierungskonferenz am Wochenende.
So endet Berlusconis Ratspräsidentschaft genauso grotesk, wie sie begonnen hatte. Schon am 2. Juli, wiederum vor dem Europäischen Parlament, brauchte der Großstaatsmann bloß ein Wort, um Zeichen zu setzen: „Kapo“ rief er dem deutschen Abgeordneten Martin Schulz zu, der es gewagt hatte, ungebührliche Fragen zu stellen. Gemessen an diesem Auftakt war dann die italienische Präsidentschaft wirklich ein Triumph: Berlusconi schaffte es, sich auf der europäischen Bühne fast sechs Monate lang am Riemen zu reißen.
Triumph gab es auch sonst – als Show fürs heimische Publikum, dem die servilen italienischen Fernsehsprecher erklärten, welch tolle Figur der „presidente europeo“ mache. Zu Hause geht das: Dort hat der Ministerpräsident die Medien fest im Griff, dort kann er seine albern-kitschigen Inszenierungen, seine ebenso endlosen wie großsprecherischen Auftritte als Ausweis eigener Größe verkaufen. Anderswo in Europa dagegen fiel er vor allem durch seine mageren Späße auf den Pressekonferenzen auf – und durch die ebenso magere Rolle, die Italiens Diplomatie im europäischen Verfassungsprozess spielte.
Berlusconi hat den Konflikt nicht erfunden, der den Gipfel scheitern ließ. Er hat aber auch nichts dafür getan, um in seiner Rolle als Ratspräsident den Zusammenstoß zwischen der spanisch-polnischen Allianz und dem großen Rest der EU zu vermeiden. Stattdessen fabulierte er während der ganzen Konferenz von einem „Wunder“, von einem Kompromissvorschlag, den er in der Tasche habe – und der sich dann als Luftnummer entpuppte.
Europa lacht? Europa interessiert ihn nicht besonders. Das konnten die anderen EU-Staaten während des Italo-Halbjahrs überdeutlich wahrnehmen. Ihnen führte Berlusconi den Totalausfall des einstigen Integrationsmotors Italien vor. Da wäre es ein äußerst schlechter Witz, wenn die europäische Verfassung – so sie denn kommt – nächstes Frühjahr ausgerechnet in Rom unterzeichnet würde. MICHAEL BRAUN