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■ EURO–GolzHart, aber ehrlich

Als professioneller Fußballfachverkäufer sehe ich mir diese EM quasi als Bildungsfernsehen an. Dabei habe ich ganz besondere Erwartungen an dieses Großereignis. Weder interessiert mich besonders, wer den schönsten Fußball spielt, um dann doch glanzvoll auszuscheiden (Ästhetik ist, wenn man trotzdem lacht), noch beschwere ich mich darüber, daß eventuell eine Mannschaft in grandioser Deutschland-Österreich-1:0-WM-in-Spanien-Skandalspiel-Algerien-ausgeschi eden-Manier ins Viertelfinale gelangt. Hat es alles schon gegeben, kommt auch alles wieder.

Natürlich werden auch wieder herausragende Fachleute wie Heribert Faßbender bedeutungsschwangere Fragen nach Taktiken, Aufstellungen und Windrichtungen stellen, aber meine Frage aller Fragen lautet: „Ist der britische Fairneßgedanke ansteckend?“

Wie wir alle (inklusive Dr. Peter Krohn) wissen, ist Fußball Showgeschäft. Von einigen wird es allerdings fehlinterpretiert. Es vergeht kaum ein Spiel in Europa, in dem nicht mehrfach versucht wird, Elfmeter, Freistoß oder Platzverweis zu schinden. Unerträglich. Bei jedem Körperkontakt muß man befürchten, daß der Gefoulte nie wieder gehen oder feste Nahrung zu sich nehmen kann. Teilweise braucht man einen Stürmer nur böse anzuschauen, und schon ist er hin.

Auf der Insel müßte man in derselben Situation denjenigen erschießen oder daran erinnern, daß es Zeit für den Fünf-Uhr-Tee ist. Ich denke, daß der Fußball auf der Insel zwar härter, aber auch ehrlicher ist. Kaum jemand bleibt ewig am Boden liegen, und Penalty gibt es eigentlich nur im Todesfall. Vielleicht belehren mich die Engländer und Schotten eines Besseren, dann sollte ich besser nicht mehr über Fußball schreiben.

Trotz allem, liebe Arbeitskollegen aus ganz Europa: „Laßt euch infizieren von dem Britischen Sportsgeist, bevor euch Jakob-Creutzfeld holt, und gebt ihn weiter an uns Fuß(ball)volk der Nichtnationalspieler.“

Richard Golz ist Torwart des Bundesligisten HSV. In einer gerechteren Welt wäre der 28jährige als aktiver Spieler bei der EM mit dabei. In den kommenden drei Wochen wird der Fußballprofi regelmäßig für die taz hamburgals sach- und fachkundiger Kolumnist über die EM schreiben.

Sein Honorar spendet Richard Golz an einen Verein in Gründung: der Elterninitiative für Früh- und Risikogeborene am AK Heidberg, Hamburg.

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